Kaiser Franz und Metternich. 349
die Lehren der Ketzer, sorgfältig darnieder, verhinderte, daß die gewaltigen
nationalen Gegensätze dieses vielsprachigen Völkergewimmels zum Selbst—
bewußtsein erwachten, sicherte den Gehorsamen das Phäakenglück eines
wachen Traumlebens. Die Thätigkeit der Staatsgewalt war wieder ganz
auf die europäische Politik gerichtet und vortrefflich paßte zu diesem Systeme
der unfruchtbaren Ruheseligkeit der neue Minister des Auswärtigen, Graf
Metternich, der Adonis der Salons, der vielgewandte Meister aller kleinen
Mittel und Schliche. Er selber hat am Ende seiner Laufbahn die Summe
seines Lebens gezogen in dem Geständniß: ich habe oft Europa regiert,
doch niemals Oesterreich. Im diplomatischen Ränkespiele ging all sein
Wissen und Können auf. Völlig unwissend in allen Fragen der Volks-
wirthschaft und der inneren Verwaltung überließ er diese bürgerlichen
Dinge nach altösterreichischem Cavalierbrauche den Hofräthen und den
Schreibern. Er haßte und fürchtete, wie sein Kaiser, die dämonische
Kraft des nationalen Gedankens, der sich drüben in Deutschland regte;
er fürchtete nicht minder den russischen Nachbarn, dessen Macht er jeder-
zeit überschätzt hat. Er kannte die Welt zu gut und rechnete nüchtern,
um an die Ewigkeit des napoleonischen Reiches zu glauben; bot sich die
Gunst der Stunde, so war er bereit diese drückende Uebermacht abzu-
schütteln. Doch so lange die Herrlichkeit der Weltmonarchie noch uner-
schüttert währte, sollte ihre Freundschaft dem Hause Oesterreich Vortheil
bringen. Mit schamloser Herzenskälte warb Kaiser Franz um die Gnade
des Siegers. Im Frühjahr 1810, noch vor der Hinrichtung Andreas
Hofer's, verlobte er die Erzherzogin Marie Luise mit Napoleon. Die
Tochter des letzten römischen Kaisers wurde die Gemahlin des neuen
Weltbeherrschers, und sie schändete ihr altes Haus durch flachen Leicht-
sinn, durch unwürdige Schmeichelei gegen die Franzosen. Derselbe Erz-
bischof von Wien, der vor Kurzem die Fahnen der Landwehr geweiht,
segnete jetzt die nach katholischen Begriffen unzweifelhaft ehebrecherische
Verbindung der beiden Kaiserhäuser. Das Lieblingsblatt der Wiener
schilderte mit unterthäniger Dankbarkeit, wie Gott seinen eingebornen
Sohn für die Erlösung der Menschheit dahin gegeben und der gute
Kaiser Franz nach diesem Vorbilde seine Tochter für die Rettung des
Vaterlandes opfere. So war Oesterreich im Jahre 1810. Niemals ist
einer hochherzigen Erhebung ein tieferer sittlicher Fall gefolgt.
Aus guten Gründen eilten die ersten Fürsten des Rheinbundes sofort
nach dem Frieden wieder nach Paris, um sich der Gnade des Protectors
nochmals zu versichern; denn überall hatte der Krieg die innere Hohlheit
des rheinbündischen Regiments an den Tag gebracht. Wie viel Groll und
Haß in dem Volke Frankens und Westphalens; welche Schwäche der
Staatsgewalt in Sachsen, dessen König noch vor dem Einmarsch des
Feindes mitsammt seinem Grünen Gewölbe das Land verließ und dann
im sicheren Frankfurt, im alten Kaiserdome, dem Tedeum zur Feier der