Halle-Wittenberg. Bonn. 235
das Predigerseminar, das ihr zur Entschädigung dienen sollte, nicht trösten
und forderte noch ein Menschenalter später, im Jahre 1848, von der Ber-
liner Nationalversammlung die Wiederherstellung der alten akademischen
Herrlichkeit.
Den westlichen Provinzen hatte der König schon bei der Besitzergreifung
eine Universität versprochen. Sie sollte paritätisch sein und sowohl das
gänzlich verfallene reformierte Duisburg wie die aufgehobenen katholischen
Hochschulen Köln, Bonn, Trier ersetzen, während dem Münsterlande seine
katholische Akademie als theologische Fachschule erhalten blieb. Um den
Sitz der rheinischen Universität entspann sich nun ein hitziger Streit, der
die geheimen Wünsche der klerikalen Partei des Westens zum ersten Male
an den Tag brachte. Köln war so lange im Besitze der größten Universität
am Rheine gewesen und überstrahlte alle anderen Städte des Landes so
weit durch seinen historischen Ruhm und durch die Fülle seiner Kunst-
denkmäler, daß auch Unbefangene, wie Niebuhr, Schenkendorf und der
wackere kölnische Sammler Wallraf meinten, nur hier könne das geistige
Leben der Rheinlande seinen Brennpunkt finden. Friedrich Schlegel aber
und seine ultramontanen Freunde benutzten den romantischen Zauber,
welcher die ehrwürdige Stadt umschwebte, als willkommenen Vorwand für
tiefere Pläne. Das heilige Köln war von alters her das Bollwerk der
römischen Partei im Reiche, seine Bevölkerung, die noch zu einem vollen
Drittel aus Bettlern bestand, durch dumpfe Unduldsamkeit übel berüchtigt.
Hier hatten die obscuri viri des sechzehnten Jahrhunderts, nachher die
päpstlichen Legaten und die Jesuiten ihr Wesen getrieben; hier im Schatten
der erzbischöflichen Kurie konnte eine evangelische Fakultät so wenig ge-
deihen wie die weltlich freie Wissenschaft; hier war nur Raum für eine
rheinische Provinzialuniversität, die den tiefen Schlummer der Geister in
der alten Pfaffengasse des Reichs nicht gestört, die Versöhmnung der West-
mark mit dem protestantischen Norden nicht gefördert hätte. „Diejenigen“
— schrieb ein einsichtiger Rheinländer an Hardenberg — „welche so ent-
schieden für Köln reden, verhehlen es gar nicht in vertraulicher Mittei-
lung, daß sie dadurch den Mittelpunkt einer Opposition bilden möchten.
Und welcher Opposition? Des katholischen Prinzips gegen das prote-
stantische. Je näher die Regierung die Rheingegenden kennen lernen wird,
desto weiter wird sie sich von dem Gedanken entfernen, nach Köln die
rheinische Universität zu verlegen.““!) Auch Arndt, der an seinem deut-
schen Strome rasch heimisch geworden war, und Süvern, der soeben die
neuen Unterrichtsanstalten am Rhein einrichtete, warnten den Staats-
kanzler vor dem pfäffischen Geiste der Bischofsstadt und empfahlen dafür
das liebliche Bonn mit seinen verödeten prächtigen Schlössern.
*) Denkschrift über die rheinische Universität, dem Staatskanzler überreicht durch
Minister Klewitz, 20. Febr. 1817. Andere Aktenstücke bei H. v. Sybel, Die Gründung
der Universität Bonn (Kleine histor. Schriften II. 433).