Ende des bayrisch-badischen Streites. 483
eilte sogleich herbei und erklärte, sein Souverän seit bereit, gegen Heraus-
gabe der österreichischen Enklave Geroldseck das kleine Amt Steinfeld
in der Taubergegend an Bayern abzutreten, auch dem Münchener Hofe
eine Etappenstraße nach der bayrischen Pfalz einzuräumen und ihm eine
altere Schuld von 1⅛ Mill. Fl. zu erlassen. Die russischen Minister
fanden diese Anerbietungen anfangs ungenügend; Kaiser Alexander
schwankte noch zwischen seinen beiden streitenden Schwägern. Aber
Berstett bearbeitete den Zaren in persönlicher Unterredung, zuletzt unter
strömenden Tränen, und da auch der Freiherr vom Stein, der auf
kurze Zeit in Aachen als Gast erschien, sich bei dem Kaiser lebhaft für
Baden verwendete, so trat Rußland nach einigen Tagen zu der Rechts-
ansicht über, welche Hardenberg schon seit langem für die richtige hielt.
Die österreichischen Staatsmänner bewahrten ihre zweideutige Haltung, sie
erklärten sich im voraus einverstanden mit allem, was die Verbündeten
vielleicht noch zugunsten Bayerns erlangen könnten, und ließen sich in
der entscheidenden Sitzung bereitwillig überstimmen. »
Da Preußen und Rußland also zusammenstanden, und Osterreich
nicht offen widersprach, so schloß sich Lord Castlereagh der Mehrheit an.
Er tat es ungern und ließ in seiner Denkschrift den alten Groll gegen
Rußland deutlich durchblicken: der Großherzog, so schrieb er, hat die
Großmut der Mächte angerufen und sich also in der Position ver-
schanzt, welche für schwache Staaten immer die furchtbarste ist. Doch
gestand der Lord zu, daß er jetzt selber in der Rechtsfrage bedenklich ge-
worden sei und nicht mehr begreifen könne, woher die Mächte einst in
Wien und Paris das Recht genommen hätten dem Münchener Hofe den
Heimfall der Pfalz zu versprechen. Am 20. Nov. beschloß der Vierbund
demnach, die badischen Vorschläge anzunehmen, alle früheren Verab-
redungen über den Heimfall der Pfalz und des Breisgaus aufzuheben,
auch das Erbfolgerecht der Hochbergs anzuerkennen; gehe Bayern hierauf
nicht ein, dann solle Baden seiner Anerbietung entbunden sein und
der obige Beschluß gleichwohl in Kraft bleiben. Zugleich sendeten die
Monarchen, nach der patriarchalischen Weise dieses Kongresses, brüderliche
Briefe an den König von Bayern um ihn zur Nachgiebigkeit zu bewegen.
König Friedrich Wilhelm begnügte sich nicht mit allgemeinen Ermah-
nungen, wie die beiden Kaiser, sondern setzte nach seiner gewissenhaften
Weise dem bayrischen Könige noch einmal auseinander, daß Preußen die
geheimen Artikel über den Heimfall der Pfalz niemals anerkannt habe.)
Baden war gerettet, und wie die Franzosen den Zaren als ihren
Gönner rühmten, ebenso und etwa mit dem gleichen Rechte feierten die
*) Berstett an Kapodistrias, 28. Okt. Kapodistrias' Antwort, 29. Okt.; russische
Denkschrift, 10. Nov.; Separat-Protokoll über Baden, 20. Nov.; Castlereaghs Denk-
schrift, 20. Nov.; König Friedrich Wilhelm an König Max Joseph, 18. Nov. 1818.
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