VI Vorwort.
Diese Blätter enthalten der schmerzlichen Erinnerungen viel. Wollte
ich den Stimmungen des Augenblicks nachgeben und als ein Parteimann
Geschichte schreiben, so würde ich über manche alte Sünden Osterreichs
und der deutschen Kronen gern einen Schleier werfen; denn in der
heutigen Ordnung der deutschen Dinge zeigt sich unser hoher Adel ein-
sichtiger, opferwilliger als ein großer Teil des Bürgertums, und an
der Freundschaft, welche unseren Staat mit Osterreich verbindet, wird
nur ein Tor rütteln wollen. Meine Aufgabe war das Geschehene
getren zu erzählen. Es kann dem Bestande der Monarchie in unserem
Vaterlande nur förderlich sein, wenn Deutschlands Fürsten der trüben
Tage nicht vergessen, da ihre Ahnen nahe daran waren sich dem Leben
der Nation ganz zu entfremden; unser freier Bund mit Osterreich aber
wird um so fester stehen, je unbefangener man hüben und drüben aner-
kennt, daß Deutschland berechtigt war die Herrschaft des Wiener Hofes
nicht länger mehr zu ertragen.
Mit allen ihren Irrtümern und Enttäuschungen war die verrufene
Zeit, welche dieser Band schildert, nicht bloß reich an wissenschaftlichem
Ruhm, sondern auch fruchtbar für unser politisches Leben. Habe ich den
Ton nicht ganz verfehlt, so wird den Lesern der Eindruck bleiben, daß
sie die Geschichte eines aufsteigenden Volkes vor sich sehen.
Rom, 20. Oktober 1882.
Heinrich von Treitschke.
Vorwort zur vierten Auflage.
An dieser neuen Ausgabe ist wenig verändert. Nur den beiden
letzten Abschnitten des Bandes habe ich einige Ergänzungen hinzugefügt,
die ich den Akten des Geh. Staatsarchivs in Weimar verdanke.
Berlin, 30. Mai 1892.