Baiern. Zentner. 59
Drängen seines Ministers gestand er dem Ueberraschten endlich: er selber
sei der Verfasser des Manuscripts, er habe das Gerippe, Lindner nur
die Füllung der Arbeit gegeben.“) Durch solche Mittel also hatte König
Wilhelm sich für seine Wiener Demüthigung zu rächen versucht! Der
Graf verhehlte seinem Herrn nicht, daß er die Kosten eines Auswärtigen
Amtes für das kleine Württemberg nicht mehr zu rechtfertigen wisse, wenn
man sich so muthwillig das Vertrauen der großen Mächte verscherze.
Gleichwohl blieb er im Amte. Das Bewußtsein einer eigenen politischen
Verantwortlichkeit war den deutschen Ministern damals noch fremd;z sie
betrachteten sich fast allesammt nur als Diener ihrer Fürsten. Wintzingerode
hielt es für unritterlich, den König in einem Augenblicke der Bedrängniß
zu verlassen und mußte nun wohl oder übel durch unwahre Betheue-
rungen den Argwohn der deutschen Höfe zu beschwichtigen suchen. Ver-
gebliche Mühe. Der Scharfsinn F. Gentz's, der in literarischen Dingen
fast immer das Rechte traf, hatte den Urheber des Manuseripts sofort
erkannt.
Die Nichtigkeit der württembergischen Triaspläne wurde nirgends
schärfer verurtheilt als an dem Hofe, welchem Lindner die Führung seines
Sonderbundes zugedacht hatte. In der bairischen Presse waren vor fünf
Jahren die Triasgedanken zuerst aufgetaucht; aber die Regierung blieb
ihnen jetzt wie damals unzugänglich. Der bairische Staat war doch zu
groß, seine Dynastie zu stolz um so luftigen Traumbildern nachzugehen.
Wie glücklich fühlte sich König Max Joseph, da er nun wieder drei
Jahre lang vor seinen getreuen Landständen Ruhe hatte. Die durch
Zentner's Klugheit herbeigeführte Versöhnung mit den beiden Groß-
mächten that dem Herzen des gutmüthigen Herrn wohl. Sein Miß-
trauen gegen die Liberalen verstärkte sich noch, seit die Revolution in
Südeuropa immer weiter um sich griff und im Laufe des Sommers
sogar nach Italien hinüberschlug. Als Gentz im August nach München
kam, fand der König kaum Worte genug, um dem Wiener Hofe seine
Anhänglichkeit zu betheuern. Er liebe, so gestand er, die Constitutionen
ebenso wenig wie Kaiser Franz, und ohne den unglücklichen Wiener Con-
greß wäre er gewiß nie so weit gegangen; indessen sei er Gottlob mit
einem blauen Auge davongekommen, und nun solle ihn auch der Teufel
keinen Schritt weiter führen. An dem gewohnten bureaukratischen Re-
gimente ward durch die parlamentarischen Institutionen nichts geändert.
Selbst die den Kammern versprochene Neugestaltung des Heerwesens unter-
blieb, obgleich zwei der tüchtigsten Generale, Naglovich und Baur schon seit
Jahren die Einführung eines Landwehrsystems, nach der Art des preußi-
schen, befürwortet hatten. Der liberale Lerchenfeld sah sich ganz auf sein
Finanzfach beschränkt, und hier gelang es seiner ausdauernden umsichtigen
*) Wintzingerode, Graf H. L. Wintzingerode, S. 69.