Verhandlung mit Sachsen. 373
Bis zum Sturze des alten Systems erging sich die sächsische Re—
gierung in Umwegen und Künsteleien, nach der alten Gewohnheit der
Mittelstaaten. Sie fragte in Stuttgart und München an, ob Sachsen
nicht dem süddeutschen Vereine beitreten könne. Ihr Berliner Geschäfts—
träger Könneritz richtete an Ancillon die Bitte: Preußen möge sofort seinen
Tarif zu Sachsens Gunsten herabsetzen, da die Verhandlungen über den
unmittelbaren Anschluß vor der Hand noch ausgesetzt werden müßten.
Maassen aber antwortete (15. Sept. 1830): „ohne vorhergegangene Ver—
einigung zu einem gegenseitig erleichterten Handelsverkehr“ können wir bei
der Ordnung unseres Tarifs auf dritte Staaten keine Rücksicht nehmen.)
Erst das Ministerium Lindenau fand den Mut, einzugestehen, was
sich mit Händen greifen ließ: daß Sachsens Gewerbfleiß ohne Preußens
Freundschaft untergehen mußte; nahm doch die gesamte überseeische Aus-
fuhr des Landes ihren Weg durch Preußen, desgleichen fast die gesamte
Einfuhr der rohen Baumwolle. Leider war nur ein Teil der Fabrikanten
im Gebirge dem Anschluß günstig, das Landvolk und vornehmlich das
mächtige Leipzig wehklagten über das hereinbrechende Verderben. Also hat
selbst der allzeit patriotische und einsichtige Handelsstand der wackeren
Pleißestadt, ganz wie späterhin die Kaufmannschaft von Frankfurt, Bremen,
Hamburg, die unliebsame Wahrheit erhärtet, daß der Interessent fast nie-
mals sachverständig ist. Auch der große Kaufherr wird zum Krämer, sein
Gesichtskreis verengt sich, sobald er seinen unmittelbaren Vorteil bedroht
wähnt; stolz auf seine persönliche Kraft und Freiheit, empfindet er es als
eine Anmaßung, eine Beleidigung, wenn die Männer des grünen Tisches
ihm zumuten, seine altgewohnten Geschäftsformen zu ändern, und will
nicht zugestehen, daß über große handelspolitische Fragen nicht die privat-
wirtschaftliche Anschauung des Kaufmanns, sondern das staatswirt-
schaftliche Urteil des Staatsmannes zu entscheiden hat. Trotz alledem
entschloß sich die Regierung gegen Jahresschluß zu jener ersten Anfrage in
Berlin. Das Ministerium des Auswärtigen antwortete (24. Jan. 1831):
Die Schwierigkeiten scheinen sehr groß, die Interessen überaus verschieden;
„dennoch ist die Aufgabe so gemeinnützig und deutscher Regierungen, welche
neben der Sorge für ihre Untertanen zugleich die Beförderung des Wohls
von ganz Deutschland im Auge haben, so entschieden würdig“, daß wir den
Versuch wagen wollen. Die oberdeutschen Könige, von allem unterrichtet,
überließen die Verhandlungen vertrauensvoll dem preußischen Hofe; die
Überlegenheit der sächsischen Industrie, meinte Armansperg zuversichtlich,
ist in einem großen Vereine wenig zu fürchten, auch die schwierige Grenz-
bewachung muß sich durchführen lassen, so man ernstlich will.)
*) Salviatis Bericht, Stuttgart, 26. Aug. Könneritz an Ancillon, 2. Aug. Maassen
an das Ausw. Amt, 15. Sept. 1830.
**) Ministerialschreiben des Auswärtigen Amtes, 24. Jan. Armansperg an Küster,
22. März 1831.