Die Abbitten vor König Ludwigs Bilde. 613
für das Bilderwerk „Das malerische und romantische Deutschland“ den
Band über dieOstsee, ein unschuldiges Reisegeplauder, das zumeist von Land-
schaften, Mondschein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch—
schnitt unserer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos
betrachtete, der mußte einsehen, daß die Tatkraft des germanischen Cha—
rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution
von unten den Bundestag schwerlich überwältigen konnte.
Weit härter als in Preußen wütete diesmal die Verfolgung in Bayern,
denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einst vergöttert
hatten, verraten zu sein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ
sogar Wirts Frau verfolgen, weil sie die Verteidigungsrede ihres Gatten
verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handschreiben Anweisungen, wie
sie urteilen sollten, und ward auch nicht milder gestimmt, als der trau—
rige Kerkertod eines preußischen Studenten Kolligs ganz München mit
Schrecken erfüllte.“) Ein Sendschreiben „Stimme aus dem Kerker an König
Ludwig“ von dem radikalen Journalisten Coremans erbitterte den Mon—
archen tief; darin stand zu lesen, durch seine Gedichte habe sich der könig—
liche Poet „selbst zum ersten Opponenten im Lande erklärt“. Unter den
142 bayrischen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urteils harrten,
war auch der Würzburger Altbürgermeister Behr, vor Zeiten Ludwigs Ver-
trauter. Der hatte in einer wortreichen „Dringenden Erinnerung“ den
Landtag von 1831 aufgefordert, die Revision der Verfassung und die Ver—
eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Torheit, aber
kein strafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundsechzigjährige Mann
verurteilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leisten — eine em-
pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter besonders nötig schien — und
dann zu vieljähriger Haft auf die Passauer Festung geführt. Ein Gnaden-
gesuch schlug der König ab, gerade weil er dem Verurteilten früher soviel
Vertrauen erzeigt habe.**) Dieselbe schimpfliche Strafe mußte der arglos
geschwätzige Dr. Eisenmann erleiden; in seiner Wohnung wollte die Polizei
einen Sammetmantel gefunden haben, den sie für das Krönungskleid des
künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die
Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag
um Amnestie für die politischen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm
donnerte die Flüchtlingspresse wider das orientalische Strafverfahren des
bayrischen Sultans. Da Ludwig gar so hart verfuhr, so betrachtete man
selbst Okens Entlassung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur-
forschers ihren Grund hatte, als eine politische Gewalttat. Eine Ode
von Schultheiß sagte: der Dichterfürst
Trieb aber lichtscheu bald den Lichtheld=
Achtlos hinweg aus der finstern Mönchsstadt.
*) Dönhoffs Bericht, 17. Dez. 1837.
**) Dönhoffs Bericht, 25. Juni 1836.