Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Abbitten vor König Ludwigs Bilde. 613 
für das Bilderwerk „Das malerische und romantische Deutschland“ den 
Band über dieOstsee, ein unschuldiges Reisegeplauder, das zumeist von Land- 
schaften, Mondschein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch— 
schnitt unserer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos 
betrachtete, der mußte einsehen, daß die Tatkraft des germanischen Cha— 
rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution 
von unten den Bundestag schwerlich überwältigen konnte. 
Weit härter als in Preußen wütete diesmal die Verfolgung in Bayern, 
denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einst vergöttert 
hatten, verraten zu sein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ 
sogar Wirts Frau verfolgen, weil sie die Verteidigungsrede ihres Gatten 
verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handschreiben Anweisungen, wie 
sie urteilen sollten, und ward auch nicht milder gestimmt, als der trau— 
rige Kerkertod eines preußischen Studenten Kolligs ganz München mit 
Schrecken erfüllte.“) Ein Sendschreiben „Stimme aus dem Kerker an König 
Ludwig“ von dem radikalen Journalisten Coremans erbitterte den Mon— 
archen tief; darin stand zu lesen, durch seine Gedichte habe sich der könig— 
liche Poet „selbst zum ersten Opponenten im Lande erklärt“. Unter den 
142 bayrischen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urteils harrten, 
war auch der Würzburger Altbürgermeister Behr, vor Zeiten Ludwigs Ver- 
trauter. Der hatte in einer wortreichen „Dringenden Erinnerung“ den 
Landtag von 1831 aufgefordert, die Revision der Verfassung und die Ver— 
eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Torheit, aber 
kein strafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundsechzigjährige Mann 
verurteilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leisten — eine em- 
pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter besonders nötig schien — und 
dann zu vieljähriger Haft auf die Passauer Festung geführt. Ein Gnaden- 
gesuch schlug der König ab, gerade weil er dem Verurteilten früher soviel 
Vertrauen erzeigt habe.**) Dieselbe schimpfliche Strafe mußte der arglos 
geschwätzige Dr. Eisenmann erleiden; in seiner Wohnung wollte die Polizei 
einen Sammetmantel gefunden haben, den sie für das Krönungskleid des 
künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die 
Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag 
um Amnestie für die politischen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm 
donnerte die Flüchtlingspresse wider das orientalische Strafverfahren des 
bayrischen Sultans. Da Ludwig gar so hart verfuhr, so betrachtete man 
selbst Okens Entlassung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur- 
forschers ihren Grund hatte, als eine politische Gewalttat. Eine Ode 
von Schultheiß sagte: der Dichterfürst 
Trieb aber lichtscheu bald den Lichtheld= 
Achtlos hinweg aus der finstern Mönchsstadt. 
*) Dönhoffs Bericht, 17. Dez. 1837. 
**) Dönhoffs Bericht, 25. Juni 1836. 
 
	        
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