Die Königsberger Universität. 171
gesprochenen Absicht, durch königliche Großmut, durch rückhaltlose Offen—
heit dies geliebte Volk ganz für seine Krone zu erobern. Diesmal er—
schien er verstimmt, nicht bloß wegen der anwachsenden Partei Jacobys,
sondern auch wegen der Universität, die ihm als langjährigem Rektor
besonders nahe stand. Vor kurzem war der Mecklenburger Hävernick,
ein gelehrter Theolog von der strengsten Hengstenbergischen Schule, durch
Minister Eichhorn nach Königsberg berufen worden, damit die Exegese
des Alten Testaments nicht dem liberalen Lengerke allein überlassen
bliebe. Hävernick stand im Geruche eines Denunzianten, denn als blut-
junger Student hatte er einst der Epvangelischen Kirchenzeitung jene
Kollegienhefte von Gesenius und Wegscheider mitgeteilt, aus denen nachher
Gerlach sich die Waffen zur Bekämpfung der Hallischen Rationalisten
schmiedete;) und trotz der langen Jahre seither wollte man ihm diesen
häßlichen Streich jugendlicher Glaubenswut noch immer nicht verzeihen.
Die Studentenschaft, die fast durchweg aus Ostpreußen, nebenbei noch
aus einigen allezeit lärmlustigen Polen bestand, fühlte sich in ihrem Pro-
vinzialstolze beleidigt und bereitete dem Neuberufenen einen so stürmischen
Empfang, daß er auf lange hinaus seine Vorlesungen einstellen mußte;
nachher brachten die jungen Leute seinem Gegner Lengerke als dem Ver-
treter freier Wissenschaft ein Ständchen, und der Gefeierte erwiderte wohl-
gefällig, diese Huldigung gelte nicht ihm, sondern dem Geiste seiner Lehre.
Anfangs wollte Friedrich Wilhelm kaum glauben, daß „meine Studenten“
sich solcher Ungebühr erdreistet, „nein Senat“ sie ungestraft gelassen
hätte; er drohte im ersten Zorne den Purpurmantel der Albertina abzu-
legen.) Als er in Königsberg eintraf, hatte er sich schon etwas beruhigt;
er belobte die Provinzialstände wegen der würdigen Haltung des Landtags,
an die Dekane der Universität richtete er aber eine höchst ungnädige An-
sprache, die in den Zeitungen sogleich dermaßen entstellt wurde, daß die
Minister sich zu amtlichen Berichtigungen genötigt sahen. **) Der letzte
Eindruck war sehr peinlich. Die Ostpreußen dankten dem Monarchen seine
Liebe wenig. Sie fanden es unköniglich, daß er auch in kleinen Dingen
regieren wollte; die beständige Väterlichkeit ward ihrem Selbstgefühle lästig.
Glücklicher verlief gleich darauf die Reise des Königs in die westlichen
Provinzen. Mochte er nun in Minden mit freundlichen Worten dem alten
Vinckeden schwarzen Adlerorden überreichen oder den Ravensbergischen Geist-
lichen einschärfen, alle Furcht vor der freien Forschung sei Glaubensschwäche,
oder in Hamm „mit überfließendem Herzen“ auf das Wohl der treuen Graf-
schaft Mark trinken, oder den Bürgern von Barmen danken für die einst dem
Kronprinzen gewährte Gastfreundschaft: überall zeigte er sich gütig, hoch-
gemut, enthusiastisch erregt; es war, als ob ihn ein wonniger Traum um-
*) s. v. III. 405.
**) König Friedrich Wilhelm an Schön, 6. Dez. 1841.
**) Arnim an Thile, 19. Okt.; Stolberg an Arnim, 21. Okt. 1842.