Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Adolf Menzel. 405 
daß keine Vignette die Höhe von 12 Zentimetern überschreiten dürfe.) 
So konnte er, gleich den Meistern unseres sechzehnten Jahrhunderts, die 
glückliche Freiheit des Holzschnittes ausgiebig benutzen und, wie jene, auf 
losen Blättern den ganzen Reichtum seiner Gedanken und Erfindungen 
entfalten; die dem entschlossenen Realismus immer drohende Gefahr der 
Überschreitung der Kunstgrenzen war ja in dieser fast schrankenlosen 
Darstellungsform nicht zu fürchten, und die Holzschneider Unzelmann, 
Vogel, Müller beherrschten die Technik schon so sicher, daß sie jeder Kühn- 
heit des Zeichners zu folgen vermochten. Die Bilder, mit denen er 
Friedrichs philosophische Aufsätze schmückte, verrieten deutlich, daß er selbst 
dem königlichen Freigeiste weit näher stand als dem romantischen Nach- 
fahren. Weibliche Anmut und gemütliche Beschaulichkeit lockten ihn nicht; 
sein Gebiet war das Denken und Schaffen der Männer. Durch seinen 
Stoff ward er tief in die Formenwelt des Barock= und Rokokostils ein- 
geführt; er liebte sie, ohne je in ihr unterzugehen; und wenn er an den 
Eingang der Geschichte Friedrichs das Bild des Schlüterschen Kurfürsten- 
denkmals mit dem alten Schlosse dahinter setzte, so war damit ebenso sehr 
ein ästhetischer wie ein historischer Gedanke ausgesprochen. Auch die reiche 
Kleinkunst dieser allzu hart gescholtenen Zeit brachte er durch seine Zeich- 
nungen zuerst wieder zu Ansehen. 
Eine Schule zu bilden, liegt nicht in der Neigung solcher starken, 
stolzen, durchaus eigenartigen Naturen; aber Menzels stille, mittelbare 
Wirksamkeit war ungeheuer, wenngleich sie sich erst langsam offenbarte. 
Als er nachher mit der Tafelrunde von Sanssouci die Reihe seiner 
großen Gemälde begann und darauf wieder, wie in seinen frühesten 
Jugendarbeiten, mitten hineingriff in das Leben der nächsten Gegen- 
wart, da konnte niemand mehr an seinen Werken vorübergehen; jeder 
Künstler sah sich gezwungen, einmal in diesen scharfen Spiegel zu schauen 
und sich zu fragen, ob er auch selbst noch wahr sei. Also brach für 
die deutsche Malerei eine neue Zeit an, reich an Erfolgen, späterhin 
auch reich an Verirrungen. Ganz deutsch in seinen Stoffen wie in seinen 
Empfindungen errang sich Menzel weit mehr, als es einem der alten 
Idealisten je gelungen war, die Bewunderung auch des Auslands; denn 
der Drang nach Lebenswahrheit, dem er einen so mächtigen Ausdruck gab, 
beherrschte die Gefühle des ganzen Zeitalters. 
Dasselbe Jahr, das Menzels Friedrichsbuch erscheinen sah, brachte 
auch der Bildnerkunst eine folgenreiche Entscheidung. Schon seit zwei 
Menschenaltern wurde in Berlin der Plan eines Denkmals für den großen 
König hin und her erwogen. Tassaert und Schadow, Schinkel und Rauch 
hatten in Vorschlägen gewetteifert, in der Mannigfaltigkeit dieser Pläne 
spiegelte sich der Wandel der Kunstempfindungen eines suchenden Jahr- 
  
*) Nach einer freundlichen Mitteilung von A. Menzel.
	        
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