Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

640 V. 8. Der Vereinigte Landtag. 
haben sie nachgegeben von ihrem guten Rechte; sie haben stets unabänder- 
lich beharrt bei dem alten deutschen Grundsatze unserer Väter: Recht muß 
doch Recht bleiben!“ Stürmischer Beifall folgte seinen Worten, aber die 
Gegner gewann er nicht. 
Es war ein trostloses Silbenstechen, treue Patrioten standen hüben 
und drüben; und dies ganz erbitterte und erbitternde Gezänk hätte der 
König durch eine klare, rechtlich unangreifbare Fassung seines Patents so 
leicht verhindern können. Die Notwendigkeit der periodischen Einberufung 
des Landtags stellte auch Bismarck nicht in Abrede. Ohne sie fehlte dem 
Landtage das gesicherte Dasein, und den böswilligen Gerüchten, die überall 
umliefen, blieb Tür und Tor geöffnet: die allwissenden Berliner be- 
haupteten ja schon längst, der Landtag sei nur eine „Pump-Anstalt“ für 
die geldbedürftige Krone und würde erst wiederkehren, wenn die Finanzen 
wieder Not litten. Aber der König hatte schon versprochen, die Ver- 
einigten Landstände in spätestens vier Jahren wieder zu berufen; jeder- 
mann sah voraus, daß diese Frist sich tatsächlich stark verkürzen würde, 
und unterdessen sollten ja auch noch die periodischen Vereinigten Aus- 
schüsse zusammentreten. War es klug, in solcher Lage den König zu 
drängen, ihn jetzt schon zur förmlichen Anderung seiner soeben verkündig- 
ten Gesetze zu nötigen? Darüber durften einsichtige Männer wohl ver- 
schiedene Meinungen hegen. Bismarck erklärte den Liberalen zu ihrem 
heftigen Unwillen, er könne die Meinung des preußischen Volks nicht in 
den Versammlungen des Königsberger Böttchershöfchens vertreten finden; 
er riet, man möge mindestens das Gras dieses Sommers über den Streit 
wachsen lassen, ehe man neue Forderungen stelle. Auch die Herrenkurie 
wollte sich, da die Rechtsfrage so dunkel war, nicht zu einer Rechtsverwah- 
rung verstehen, sondern nur zu Bitten an den König. Sie zeigten sich 
keineswegs engherzig; die Fürsten Wied, Lichnowsky, Lynar, die Grafen 
Dyhrn, Vork, Zieten sprachen entschieden aus, Preußens Herrenstand dürfe 
nimmermehr dem Beispiel des verblendeten bourbonischen Adels folgen. 
Bei der Mehrheit aber gab den Ausschlag das Ansehen des Prinzen von 
Preußen, der nochmals, unbekümmert um die Verleumdungen draußen, für 
seinen königlichen Bruder eintrat. Immer wieder mahnte er zum Ver- 
trauen: wenn es je einen König von Preußen geben könnte, der die stän- 
dischen Rechte willkürlich ändern wollte, „so glaube ich mit Stolz sagen 
zu können, daß ein solcher König nicht seiner Ahnen würdig dastehen würde. 
Daß ich diese Gesinnungen meinem Sohne einprägen und sie auf ihn ver- 
erben werde, diese Versicherung glaube ich geben zu können, und so Gott 
will, wird es so weiter gehen.“ So dachte er stets nur an seinen Sohn; 
seine eigene Zukunft ahnte er nicht. 
Nach langwierigen Verhandlungen kamen alle schärferen Anträge zu 
Falle, und die vier Kurien einigten sich über eine sehr bescheidene Petition: 
sie baten den König um periodische Einberufung des Landtags und dem-
	        
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