Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Wer von der Mehrheit hat den Mut, das einzugestehen? Wer 
von ihr wird es den Wählern erzählen? Oie Herren, die heute 
in ihre Wahlkreise gehen, werden erstens staatsmännische Ge- 
sichter aufstecken und Herrn Omnes über ihre bitter schwere 
Verantwortlichkeit etwas vorstöhnen; und zweitens am Ende 
gar, wie Fehrenbach gestern am Schluß der Sitzung, eine 
Männerzähre herauedrücken: „Gott erbarme sich unseres 
armen Baterlandes!“ Has ist billig, wenn man selber seines 
eigenen Vaterlandes sich nicht erbarmt, sondern es verraten 
und verkauft hat. 
Wir haben mit Recht manches unserer alten Diplomatie 
vorwerfen müssen. Sie hat böse Zrrwege eingeschlagen, die 
zum Verderben führten. Aber doch ist selbst sie nicht so von 
einer Torheit zur anderen getaumelt wie in diesen Tagen 
die Erleuchteten der Nation. Das Schwanken war endemisch. 
In jeder einzelnen Fraktion der Mehrheit. Jede neue Ab- 
stimmung warf die alte um, jeder neue Redner sogar über- 
zeugte den Vorgänger von dessen Dummheit, um dann seiner- 
seits vor dem nächsten Redner kleinlaut zu werden. Ein belie- 
biger junger Beamter oder Offizier des „alten Systems“ 
hätte, wenn ihm allein die Berantwortung übertragen worden 
wäre, männlicher, folgerichtiger, erfolgreicher gehandelt als 
diese parlamentarische Vielheit, die sich bei jedem Umwetter 
wie eine Schafberde zusammendrängt. 
Einer der Ortsgeister, denen Ebert gehuldigt hat, Schiller, 
hat das schon vor mehr als hundert Lahren gewußt, daß Männer 
Geschichte machen, nicht Volksversammlungen. „Oie Mehr- 
heit ist der Unsinn“, sagt Schiller. Niemals hätte eine kaiser- 
liche Politik uns so würdelos in den Sumpf taumeln lassen 
wie die Herdenpolitik der Bielzuvielen von Weimar, dieser 
schwankenden Gestalten ohne Verstand und ohne Überzeu- 
zungsmut. 
172
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.