Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

der öffentlichen Meinung zu spielen. Schon vor vierhundert 
Jahren wußte ein Or. Martin Luther, wie man Herrn „Omnes“ 
zu behandeln habe; mit seinen Flugblättern stürzte er Rom. 
schuf er ein deutsches Volk. Aber die stärkste Macht Europas, 
das kaiserliche Deutschland von 1914, vermochte die Wirkung 
des bedruckten Papiers nicht recht einzuschätzen und erlag 
den Northcliffe, Joffe und Rosa Luxemburg. Oie neuen 
Machthaber des Reiches versichern sich nun sofort der Mit- 
wirkung der Weltmacht Presse. Schon am Lendemain seiner 
Wahl versammelt Ebert die in Weimar anwesenden Presse- 
vertreter im Theaterfoper um sich, stellt sich ihnen, da er in 
jungen JLahren nach Alufgabe seines Sattlerhandwerks, in 
dem er es zu nichte brachte, Reporter einer sozialdemokra- 
tischen Provinzzeitung war, als Kollege vor, der alles für 
sie tun wolle, was er könne, und bittet um Entgegenkommen 
auch von ihrer Seite in gemeinsamer Arbeit für das Vater- 
land. 
Das geschieht schlicht und natürlich, ohne große Aufmachung, 
wenn auch der Photograph dabei nicht fehlt, der im neuen 
Deutschland mindestens so häufig bemüht wird wie ehedem 
bei Staatsaktionen. Oie unter sozialistischer Führung ge- 
einte Mehrheit ist mit ihrem Programm fertig, sie hat, wie 
Ebert sagt, die Demokratie für Deutschland in einem Umfange 
gesichert, wie kein anderes Land ihn kennt. Der Demokratie 
werde die Sozialisierung folgen, alles in organischem Wachs- 
tum. Auf diesem Wege werde man die Mitarbeit einer von 
jeder Beschränkung entbundenen freien Presse mit ihren 
Anregungen und Vorschlägen zu schätzen wissen. Diese captatio 
benevolentiae Eberts macht auf die Versammelten, die doch 
zum großen Teil letzten Endes sentimentale Deutsche sind, 
offensichtlich tiefen Eindruck. Man war solche Töne sonst nicht 
gewöhnt. Man lächelt nicht einmal darüber, daß Serenissi- 
mus selbst diese wenigen Worte nicht frei spricht, sondern von 
Friedrich der Vorläufige 33 3
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.