— 109 —
alleinigem Träger der Reichsgewalt zustehen, so werden die diesen
entsprechenden Akte während des preussischen Interregnums, also
beim Mangel des Kaisers, ebenfalls von der preussischen provisori-
schen Regierung mit rechtlicher Wirkung vorgenommen. Diese befindet
sich insoweit in einer eigenartigen und interessanten Stellung. Sie
ist nicht Inhaberin der Reichsgewalt zu eigenem Rechte, denn das ist
in diesem Umfange nur der Kaiser als Subjekt der preussischen
Staatsgewalt, und diese steht der provisorischen Regierung nicht
zu eigenem Rechte zu; sie ist nicht Vertreterin des Kaisers, denn
einen Kaiser giebt es nicht; sie übt auch nicht die Gewalt der ver-
bündeten Regierungen als Subjekt der Reichsgewalt aus, denn diese
sind insoweit nicht Träger der Reichsgewalt. Die Stellung der pro-
visorischen Regierung Preussens im Reiche kommt nach dieser Rich-
tung der einer provisorischen Regierung im Einheitsstaate gleich,
wie sie oben des Näheren dargelegt wurde. Sie übt Staatsgewalt
aus, die keinen Träger hat.
In dem Umfange endlich, in dem der Kaiser Organ des Reichs-
souveräns ist, wird er beim Eintritte eines preussischen Interregnums
in vollem Umfange ebenfalls von dem Subjekte der provisorischen
Regierung in Preussen ersetzt. Diese ernennt also den Reichskanzler
und die übrigen Reichsbeamten, die der Kaiser zu ernennen haben
würde, sie beruft und schliesst Bundesrath und Reichstag, sie voll-
streckt die vom Bundesrath beschlossene Reichsexekution u. 8. w.
Sie ist auch hier nicht Trägerin der Reichsgewalt, aber nicht, weil
sie dem Kaiser nicht gleichwerthig ist, sondern weil auch der Kaiser
hier nicht Souverän des Reiches, sondern dessen Organ sein würde.
Wie der Kaiser ist sie Organ des Reiches, übt Reichsgewalt in Namen
des Reichssouveräns aus, sei es als Regentin im Namen des hand-
lungsunfähigen Trägers der Reichsgewalt, sei es als Organ reiner
Exekutive.
Es fragt sich nur, ob sie in dieser Hinsicht im Gegensatz zu dem un-
verantwortlichen Kaiser verantwortlich ist. Man könnte das aus zwei
Gründen anzunehmen versucht sein: einmal, weil die provisorische
Regierung unter Umständen für ihre Akte der Volksvertretung in
Preussen verantwortlich ist, andererseits, weil der Kaiser ja nur um
deswillen unverantwortlich ist, weil er zwar Organ, aber auch, wenn-
schon nicht als Kaiser, sondern als König von Preussen — beides
lässt sich aber nicht auseinanderreissen — Mitträger der Reichs-
gewalt ist, was für den preussischen Reichsvikar nicht zutrifft. Beide
Gründe können aber nicht als stichhaltig gelten. Was die Rechts-