4158 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen
Wie nun diese Einigen entschieden haben, ob sie zu den Schrif-
stellern gehören oder nicht, wer sie gewesen, das alles
erfahren wir nicht. Indessen ist doch so viel klar, dass hier die
Anwendung des gesellschaftlichen Gegensatzes bereits in der
Philosophie des Staats auf das Bestimmteste hervortritt. Steht
einmal eine solche Frage nur erst da, so wird sie auch von dem
Einen so, von dem Andern anders beantwortet werden; und
wenn dabei auch nicht wie seit dem Auftreten des Christenthums
religiöse Momente mit hineingreifen, so lässt es sich andrerseits
durchaus nicht verkennen, dass die siltlichen Begriffe und For-
derungen, oder alles das was wir in Einem Gedanken zusam-
mengefasst das &9og nennen, entscheidend mit einwirken. Die
conservative Richtung, der wir namentlich seit dem Aufstande in
Corcyra allenthalben auch in den Handelsstädten begegnen, hat
daher gewiss auch in der Literatur ihre Vertreter gehabt, so gut
als die demokratische, und Aristoteles mit seiner unklaren Vor-
stellung von dem Mittelstande und seiner Trefflichkeit kann als
der eigentliche, freilich im höchsten Grade scharfsinnige und
kundige Vertreter desjenigen betrachtet werden, was wir das
juste milieu nennen würden.
Mehr nun ist aus diesem Punkte aus den vorhandenen An-
gaben schwerlich zu erreichen. Etwas festere Gestalt gewinnt
dieser Rest der Literärgeschichle, wenn wir uns den besiimm-
ten Namen zuwenden.
Und hier ist zuerst zu bemerken, dass die, durchaus
strenge, ja fast schulgerechte Unterscheidung zwischen Monarchie,
Aristokratie und Demokratie keinesweges dem Aristoteles ange-
hört, ja dass er sie nicht einmal allein auf unsere Zeit überlra-
gen hat. Wir finden im Gegentheil gerade diese drei Grund-
formen bereits bei Herodot !), und zwar in einer Weise aufgeführt,
dass es kein Zweifel sein kann, es müsse die Frage nach den-
selben und das Nachdenken darüber eine langbekannte Aufgabe
auf die beiden Worte vouo9ernreov und neos ro vielan. Ganz genau wird
sich namentlich das letzte wohl überhaupt nicht übersetzen lassen; man
kann auch sagen „im Geiste der — im Sinne der — für die“ u. B. w.
Die Hauptsache freilich bleibt dieselbe,
1) Herod. III. 80—83.