Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf 
Antrag das Wort zu gestatten. 
§. 129. 
Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Thatsachen 
zu erklären. 
Thatsachen, welche nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden 
anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen 
Erklärungen der Partei hervorgeht. 
Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Thatsachen zulässig, welche 
weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung 
gewesen sind. 
§. 130. 
Der Vorsitzende hat durch Fragen darauf hinzuwirken, daß unklare An= 
träge erläutert, ungenügende Angaben der geltend gemachten Thatsachen ergänzt 
und die Beweismittel bezeichnet, überhaupt alle für die Feststellung des Sach= 
verhältnisses erheblichen Eklärungen abgegeben werden. 
Der Vorsitzende hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, welche in 
Ansehung der von Amtswegen zu berücksichtigenden Punkte obwalten. 
Er hat jedem Mitgliede des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen 
zu stellen. 
§. 131. 
Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden 
oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitgliede gestellte Frage von 
einer bei der Verhandlung betheiligten Person als unzulässig beanstandet, so 
entscheidet das Gericht. 
§. 132. 
Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung 
des  Sachverhältnisses anordnen. 
§. 133. 
Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befind= 
lichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, 
Risse und sonstige Zeichnungen vorlege. 
Das Gericht kann anordnen, daß die vorgelegten Schriftstücke während 
einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Gerichtsschreiberei verbleiben. 
Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten 
Urkunden eine durch einen beeidigten Dolmetscher angefertigte Uebersetzung bei= 
gebracht werde. 
§. 134. 
Das Gericht kann anordnen, daß die Parteien die in ihrem Besitze be= 
findlichen Akten vorlegen, soweit dieselben aus Schriftstücken bestehen, welche die 
Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. 
	        
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