Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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hatten. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes gilt die Hauptstadt des Hei= 
mathsstaates als ihr Wohnsitz. Ist die Hauptstadt in mehrere Gerichtsbezirke 
getheilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk im Wege der Justizverwaltung 
durch allgemeine Anordnung bestimmt. 
Auf Wahlkonsuln finden diese Bestimmungen keine Anwendung. 
§. 12. 
Unter mehreren nach den Vorschriften der §. 7 — 11 zuständigen Gerichten 
gebührt demjenigen der Vorzug, welches die Untersuchung zuerst eröffnet hat. 
Jedoch kann die Untersuchung und Entscheidung einem anderen der zu= 
ständigen Gerichte durch das gemeinschaftliche obere Gericht übertragen werden. 
§. 13. 
Für zusammenhängende Strafsachen, welche einzeln nach den Vorschriften 
der §§. 7 — 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, ist ein 
Gerichtsstand bel jedem Gerichte begründet, welches für eine derselben zuständig ist. 
Sind mehrere zusammenhängende Strafsachen bei verschiedenen Gerichten 
anhängig gemacht worden, so können dieselben sämmtlich oder zum Theil durch 
eine den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechende Vereinbarung dieser 
Gerichte bei einem unter ihnen verbunden werden. Kommt eine solche Verein= 
barung nicht zu Stande, so entscheidet, wenn die Staatsanwaltschaft oder ein 
Angeschuldigter hierauf anträgt, das gemeinschaftliche obere Gericht darüber, ob 
und bei welchem der Gerichte die Verbindung einzutreten habe. 
In gleicher Weise kann die Verbindung wieder aufgehoben werden. 
§. 14. 
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so be= 
stimmt das gemeinschaftliche obere Gericht dasjenige Gericht, welches sich der 
Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat. 
§. 15. 
Ist das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Aus= 
übung des Richteramts rechtlich oder thatsächlich verhindert, oder ist von der 
Verhandlung vor diesem Gerichte eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu 
besorgen, so hat das zunächst obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung 
dem gleichstehenden Gericht eines anderen Bezirks zu übertragen. 
§. 16. 
Der Angeschuldigte muß den Einwand der Unzuständigkeit bei Verlust 
desselben bis zum Schlusse der Voruntersuchung, falls aber eine solche nicht 
stattgefunden hat, in der Hauptverhandlung bis zur Verlesung des Beschlusses 
über die Eröffnung des Hauptverfahrens geltend machen. 
§. 17. 
Durch eine Entscheidung, welche die Zuständigkeit für die Voruntersuchung 
feststellt, wird die Zuständigkeit auch für das Hauptverfahren festgestellt. 
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