die Kompetenz eingeräumt, die nationale Gesetzgebung in die Hand
zu nehmen und so auf unmittelbar wirksamem Wege die Erfüllung
verfassungsmäßiger Bundespflichten zu betreiben. Nur dann, wenn
sich der Streit zwischen Bund und Einzelstaat um einen „ÖStreit um
das Recht“ dreht, steht dem Kantone nach Art. 113 Abs. 1 der Rechts-
weg zu dem Bundesgerichte offen mit der Maßgabe (Art. 113 a. E.),
„daß in allen diesen Fällen die von der Bundesversammlung erlassenen
Gesetze und allgemein verbindlichen Beschlüsse, sowie die von ihr ge-
nehmigten Staatsverträge für das Bundesgericht maßgebend sind.“
Die Verfassung der vereinigten Staaten von Nordamerika steht zu den
deutschen Verfassungen der Jahre 1815, 1867, 1871 und zu der eid-
genössischen Verfassung insoferne im Gegensatze, als ihr eine Exehution
unbekannt ist. Die Verfassung legt den vereinigten Staaten und dem
einzelnen Staate wohl Pflichten auf, aber sie bestimmt nichts darüber,
wie die Erfüllung solcher Pflichten erforderlichen Falles von einem
widerspenstigen Staate erzwungen werden kann. Auf dem Philadelphia-
konvent war beantragt worden, daß dem Kongresse gegenüber einem
ungehorsamen Staate das Recht der Bundesexekution gegeben werden
sollte. Eine dahingehende Bestimmung in die Verfassung aufzunehmen,
hat der Kongreß jedoch abgelehnt.!) Stellt sich der Ungehorsam eines
Staates als Empörung dar, so muß der Präsident mit Gewalt ein-
schreiten. Abgesehen von diesem Falle schließt die Verfassung direhte
Zwangsbefugnisse gegen die Einzelstaaten als solche aus. Diese Aus-
schließung jedweder Zwangsgewalt zur Erzwingung des Bundes-
gehorsams war ein Werk des weitblichkenden Staatsmannes Alexander
Hamilton, der sagte, daß der Beschluß einer Exehution gegen einen
oder mehrere Staaten und deren Durchführung gleichbedeutend damit
sei, dem Kongresse die Gewalt zu geben, den Bürgerkrieg zu be-
schließen. —
Die Aufnahme des Art. 19 in die Reichsverfassung war eine
politische Notwendigkeit.
Die Rechte und Pflichten, die auf Grund der Verfassung sowohl
dem Reiche als Ganzen als auch den einzelnen Gliedstaaten erwachsen,
müssen bei der Frage nach ihrer Abgrenzung besonders deshalb leicht
zu Streitigkeiten Gelegenheit bieten, weil das Reich — sich in diesem
Puntkte zu seinem Nachteile von anderen Bundesstaaten unterscheidend —
die Ausübung seiner Befugnisse teilweise den Einzelstaaten überlassen
und sich dadurch von deren Tätigkeit abhängig gemacht hat. Die
Machtmittel der Gliedstaaten sind so bedeutend, ihre Mitwirkung bei
den Reichsangelegenheiten so erheblich, daß die gewöhnlichen gesetz-
lichen Zwangsmittel nicht mehr ausreichen können, um die Erfüllung
der ihnen verfassungsmäßig obliegenden Bundespflichten vollständig
zu sichern. Das dem Reiche gesetzte hohe Ziel hann aber nicht er-
reicht werden durch bloßes passives Abwarten des Reiches oder dem
1) Rentner S. 132, Anm. 4.