Gründe für den Verlust der Staatsangehörigkeit. S 17. 109
Ausnahmebestimmung berührte in keiner Weise die in Abs. 1 des § 21 bestehende
Vorschrift, daß der Deutsche nach zehnjährigem, ununterbrochenem, unlegiti-
miertem Aufenthalt im Ausland seiner Staatsangehörigkeit verlustig gehe.
Diesen Verlustgrund hatte das Gesetz vom 1. Juni 1870 aus dem preußi-
schen Indigenatsgesetz entnommen. Er ist nur in dem Reichsgesetz insofern
gemildert gewesen, als der Reichstag des Norddeutschen Bundes dem § 21
einen Absatz 5 anschloß, wonach Deutsche, die ihre Staatsangehörigkeit durch
zehnjährigen Aufenthalt im Ausland verloren hatten, wieder ausgenommen
werden mußten, sofern sie in ihre Heimat zurückgekehrt waren und ein Gesuch
um Aufnahme an die zuständige Behörde gerichtet hatten.
Erst im Jahre 1898, bei Anlaß eines Sonderfalles, hat der Reichskanzler
Fürst von Hohenlohe eine Kommission mit der Abänderung des Gesetzes vom
1. Juni 1870 beauftragt. Ein in Kopenhagen ansässiger, sehr angesehener
deutscher Kaufmann hatte bei seiner Heimatbehörde die Zusendung eines Reise-
dokuments erbeten, war von dieser aber beschieden worden, daß er durch zehn-
jährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland seine Staatsangehörigkeit
verloren hätte. Diesen Deutschen, der stets für die Interessen der in Kopen-
hagen lebenden Landsleute eingetreten war, berührte der abschlägige Bescheid
aufs peinlichste. S. M. der Kaiser wurde von diesem Vorfall durch den Ge-
sandten von Kiderlen-Wächter in Kenntnis gesetzt, und eine in Form einer
Marginalnotiz erlassene Allerhöchste Berfügung bestimmte — ich zitiere hier
nur dem Sinne nach —, daß ein solcher Verlustgrund den Engländern und
Franzosen nicht bekannt und auch in dem deutschen Gesetze nicht ferner aufrecht-
zuhalten sei.
Infolgedessen ist der ominöse § 21 mit seinem stillschweigenden Verlust
geschwunden und an seine Stelle der § 25 getreten, der den Verlust der Staats-
angehörigkeit durch den Erwerb einer fremdländischen für einen im Aus-
land ansässigen Deutschen festlegt. Vgl. des nähern über diese Bestim-
mung § 25.
4. durch Nichterfüllung der Wehrpflicht.
Als neuer Verlustgrund ist durch Ziff. 3 in das Gesetz eingefügt worden:
„durch Nichterfüllung der Wehrpflicht“". Die zur Begründung dieses Verlust-
grundes von der Regierungskommission (Reg.-Entw. S. 11 ff.) angeführten
Tatsachen sind so wenig stichhaltig, daß es zu ihrer Widerlegung einer viel
weiteren Auseinandersetzung bedürfen würde, als mir in dem engen Rahmen
dieses Kommentars möglich ist. Schon gleich der Anfang der Begründung
beruht auf der mißverständlichen Wiedergabe eines Gesetzes der Vereinigten
Staaten. Ich führe hier den Inhalt des Regierungsentwurfes wörtlich an:
„Wenn ferner der Gesetzentwurf die Ausbürgerung wegen Nicht-
erfüllung der Wehrpflicht vorsieht, so beruht diese Maßnahme auf dem
ethischen Gedanken, daß staatsbürgerliche Rechte nicht ohne Erfüllung ent-
sprechender staatsbürgerlicher Pflichten in Anspruch genommen werden
dürfen, und daß, wer diese Pflichten nicht erfüllt, damit stillschweigend den
Willen kundgibt, die staatsbürgerliche Gemeinschaft nicht weiter fortzusetzen.
Diesem Gedanken gibt die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika,
§ 17.