106 Europäische Verwicklungen u. Fortschritte der Kultur.
Italienische Künstler (das „italienische Dörschen“ in Dres-
den) bauten und schmückten ihm die prächtige katholische Hof-
kirche neben dem Schlosse (Gaetano Chiaveri), wie sie schon die
mythologischen Gruppen im Großen Garten gemeißelt hatten;
Raphael Mengs, ganz in italienischen Kunstanschauungen gebildet
(geb. 1728), wurde sein Hofmaler. Italienische Gemälde machten
die Galerie zur ersten Nordeuropas, italienische Sänger (Faustina
Bordoni) bildeten die glänzend ausgestattete italienische Oper
unter dem genialen Joh. Adolf Hasse. In Dresden bereitete
ich J. J. Winckelmann, der Begründer der modernen Kunst-
geschichte, für Italien vor (1748—55).
So wurde Dresden die erste Kunststadt Deutschlands,
das „deutsche Florenz“ (Herder), eine „vorgeschobene Ko-
lonie des Südens“ (C. Justi).
Im scharfen Gegensatze dazu wurde in diesen Jahr-
zehnten Leipzig, hervorragend durch die eigentümliche Ver-
bindung von Handel, Gelehrsamkeit und weltmännischer
Bildung, ein „Klein-Paris“, der Hauptsitz des deutschen
Buchhandels und der aufstrebenden deutschen Literatur, eine
Hauptstadt der Musik, ein Brennpunkt deutscher Wissenschaft.
Hier lebten und wirkten Joh. Christoph Gottsched (7 1766),
der Reformator der deutschen Sprache und des deutschen Dramas,
worin ihn die verdienstvolle Karoline Neuber (71760) wirkungs-
voll unterstützte, und von seinen Gegnern Christian Fürchtegott
Gellert (x 1769) dauernd, Friedr. Gottlieb Klopstock (1747) und
der größte deutsche Kritiker, Gotthold Ephraim Lessing, wenigstens
in ihren Anufängen, dann der große Thomaskantor Joh. Se-
bastian Bach (7 1750), die Philologen J. A. Ernesti, J. J.
Reiske und J. Christ, ein Vorläufer J. J. Winckelmanns, der
Historiker J. J. Mascov, dessen „Geschichte der Teutschen“
Graf Heinrich von Bünan auf Nöthnitz bei Dresden mit seiner
„Deutschen Kaiser= und Reichshistorie“ fortsetzte. Das kirchliche
Leben bewegte sich überall in den hergebrachten Formen; doch
begann die Philosophie der „Aufklärung“ die Herrschaft der
lutherischen Orthodoxie auch in Kursachsen innerlich zu er-
schüttern, und der lange verpönte Pietismus erlangte einen
praktischen Erfolg, als Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf
(x 1760) durch eine Schar böhmisch-mährischer Brüder 1722