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der Straße begleitete. Im unklaren sollten wir über
die Absichten dieses Geleits nicht lange bleiben, denn
kaum hatten wir das Tsulek-Gebiet verlossen und
waren nach Marakei hineinmarschiert, als dieses Ge-
folge die wie bei ihnen so auch hier stattfindende
wilde Flucht der Marakei-Leute benutzte und aus den
Hütten und den Viehherden mitnahmen, was des
Mitnehmens wert schien. Sobald diese Absicht er-
kannt wurde, ritt ich sofort gegen diese Räubergesell-
schaft vor und jagte sie in wilder Flucht über die
Ebene zurück. Aber es bedurfte noch eines zweiten
Anreitens, Gefangennehmens einzelner und Freilassens
nach der Androhung, daß jetzt jeder scharf beschossen
werden würde, der noch weiter Räubereien oder
Plünderungen angesichts der Expedition ausführen
würde, ehe die Gesellschaft endgültig Kehrt machte.
Auch im weiteren Verlaufe der Reise hatten wir
noch des öfteren Gelegenheit, gegen diese Ausnutzung
unseres friedlichen Verhaltens entschieden Front zu
machen.
Der Weg setzte sich unter den gleichen Besiede-
lungsverhältnissen und unter dem gleichen Anblick
einer allgemeinen Flucht, wie auf dem Marsche nach
Tsulek, fort, nur bok gegen Mittag die Landschaft
insofern ein anderes Bild, als infolge schlechteren
Bodens die Delebpalmen einem niedrigeren Baum-
bestande wichen, die charakteristischen zuckerhutförmigen
Hütten der Musgus aufhörten und statt deren runde
Lehmhütten mit Strohdach begannen, die wir bis
zur französischen Grenze vorfanden. Die Besiedlung
war auch nicht mehr eine so auffallend starke, aber
immerhin doch noch so bedeutend, daß man z. B.
auf sie beim Beziehen eines Lagers keine Rücksicht
zu nehmen brauchte. Man kann von Musgum zur
französischen Grenze halten, wo man will und wann
man will, man hat stets hinreichend Gehöfte mit
Verpflegung um sich, und an Wasser ist durch den
Logone kein Mangel. Zwischen den einzelnen,
sprachlich getrennten und stets feindlich gegenüber-
stehenden Landschaften finden sich manchmal unbe-
baute Strecken, die sich jedoch fast nirgends über
1000 m ausdehnen.
Am 23. Februar zogen wir von Tsulek aus
durch Marakei, Gooi, Mogena, Keioang, Beiaka,
Woadang, Magodi, Marapem bis Gongola, wo wir
der vorgerückten Tageszeit wegen zu bleiben be-
schlossen. Teilweise führte der Weg dicht am Logone
entlang, teils schnilt er einen Bogen desselben ab.
Die einzelnen Stämme stehen sich untereinander
fast alle seindlich gegenüber, und ich mußte oft an
einem Tage zwei= oder dreimal die Führer wechseln,
um deren Leben und Freiheit nach ihrer Entlassung
nicht zu gefährden. Desgleichen konnte auch die
Dolmetscherfrage oft nicht nach Wunsch des Be-
treffenden gelöst werden, denn es gab Zeiten, wo
wir nur über elne einzige Persönlichkelt versügten,
mit Hilfe deren wir uns verständlich machen konnten
und die naturgemäß auf das strengste
werden mußte.
In Gongola war die Berührung mit den Ein-
geborenen nur gering, aber ich war überzeugt, daß
die Tsulek-Tage auch hier noch ihre Früchte tragen
würden.
Am 24. Februar marschierten wir unter gleichen
Verhältnissen weiter wie am Tage vorher. Wir
zogen durch Woiaka, Magei, Mulesie, Beiaka bis.
Mochore, wo wir gegen Mittag Halt machten. In
Mulesi verließen wir das Gebiet der eigentlichen
Musgus und kamen in den wohl am dichtesten
bevölkerten und reichsten Gamei-Bezirk (Gumet),
dessen Hauptausdehnung sich allerdings mehr nach,
dem Ba-Ili zu erstreckt. Der Wechsel dieser Grenze
machte für uns einen neuen Dolmetscher nötig, den
wir auch glücklicherweise in Mochore entdeckten, da
sich Musgus und Gamei-Leute nicht miteinander ver-
ständlich machen können. Die scheldende Grenze be-
steht nur in einer 15 Minuten währenden Einöde,
in der die Trümmer einer großen, von den Gamei-
Leuten zerstörten Stadt ein beredtes Bild für die
Beziehungen der beiden Stämme untereinander boten.
Bei der starken Scheidung zwischen den belden
Stämmen hielt ich es dann doch für angebracht, in
Mochore Verbindungen mit den Eingeborenen wieder
anzuknüpfen, welcher Versuch trotz Hilfe einiger nicht
so scheuen Mochore-Leute anfangs zu keinem rechten
Erfolge führen wollte. Erst als ich aus Anlaß der
Versorgung der Expedition mit Flußpferdfleisch er-
kannte, welcher Leckerbissen dieses für die Emgebo-
renen schwer zu erreichende Fleisch obgab, wurde den
Eingeborenen bekannt gegeben, daß am nächsten
Morgen jeder Besucher der in Aussicht genommenen
Versammlung ein beträchtliches Stück Flußpferdfleisch
ausgehändigt erhalten würde. Diese Versprechung
zog mehr als alle politischen Zusicherungen und Be-
teuerungen, und am nächsten Morgen waren doch
300 bis 400 Menschen vor meinem Zelt versammelt,
mit denen genau dieselben Einzelheiten sich wieder-
holten, wie an dem betreffenden Tage in Tsulek.
Nur wurden ihnen hier statt einer Kuhherde zwei
große Flußpferde übergeben, die sie anfangs nicht
annehmen wollten, indem sie erklärten, daß über-die
Vertellung der Tiere sich ein so bitterer Kampf ent-
spinnen würde, daß sie lieber auf den Besitz ganz,
verzichten möchten; aber wenn ich ihnen die beiden
Tiere verteilen würde, wäre allem Übel abgeholfen.
Die Tiere wurden dann auch von den Soldaten
zerlegt und gleichmäßig vertellt. Hoffen wir, daß
auch hier die Selbsterkenntnis ihrer Schwächen der
erste Schritt zur Besserung ist.
Da wir nach dem, was ich selnerzeit vom Ka-
pitäm Lenfant gehört hatte und auch nach den
oberflächlichen Berechnungen uns nunmehr bald den
von Lenfant und Dominik begangenen Wegen nähern
mußten, so hatte an diesem Vormittag Oberleutnant
bewacht