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Rolonialwirtschaftliche Mitteilungen.
Die tierischen Droduhte in unserer Holonial-
wirtschaft. 1)
Bisher ist die Versorgung der deutschen In-
dustrie mit pflanzlichen und mineralischen
Rohstoffen und die Bedeutung, die den deutschen
Kolonialgebieten in dieser Beziehung zukommt,
dargestellt worden. Nachstehend sollen unter dem
gleichen Gesichtswinkel die wichtigsten tierischen
Produkte besprochen werden. Als solche kommt
eine große Anzahl verschiedener Artikel in Betracht,
die zum Teil, wie Wolle, Felle, Häute, Federn,
Hörner u. dgl., den gewerblichen Rohstoffen
zuzurechnen sind, zum anderen Teil, wie lebendes
Vieh, Fleisch in verschiedener Zubereitung, mittel-
bar oder unmittelbar zu den Nahrungsmitteln
gehören. Wir haben es also hier nicht allein
mit der Frage der Versorgung unserer Industrie
mit Rohmaterial zu tun, sondern auch mit Fragen,
die für die Volksernährung von Wichtigkeit sind.
Als wichtigstes der tierischen Rohprodukte ist
die Wolle zu bezeichnen. Obwohl die Baum-
wolle in der Verwendung für Gespinststoffe in
schnell steigendem Maße an Boden gewonnen hat,
ist der Bedarf an Wolle infolge der starken Be-
völkerungszunahme der Gesamtmenge nach kaum
geringer geworden. Anderseits hat die heimische
Produktion mit diesem Gleichbleiben des Bedarfs
nicht Schritt zu halten vermocht. Die deutsche
Landwirtschaft ist immer intensiver geworden,
d. h. sie hat die Ausbeute ihres Bodens immer
mehr steigern müssen, während die Erzeugung
von Wolle in genügender Menge und zu billigen
Preisen einen extensiven Landwirtschaftsbetrieb
voraussetzt. Infolgedessen ist die deutsche Schaf-
zucht immer mehr zurückgegangen.
Es betrug die Zahl der im Deutschen Reiche
vorhandenen Schafe:
10. 1. 1873 24 999 406 Stück
10. 1. 1883 19 189715
1. 12. 1892 13 589 612=
1. 12. 1897 10 866 772
1. 12. 1900 9 692 501)
1. 12. 1904 7907 173
2. 12. 1907 7 681 072 :)
Außerdem hat sich die Zucht immer mehr auf
die Erzeugung von Fleischschafen an Stelle von
1) „Kolonialwirtschaftliches. VI. Aus dem „Reichs-
Arbeitsblatt“, September 1908. Vgl. „D. Kol. Bl.“
1908. Nr. i S. 543 ff.; Nr. 13, S. Eiitn für- 14,
686 ff.; Nr. 17, S. — Nr. 18. S.
2) Vorläufiges Ergebnis.
Wollschafen verlegt. Die deutsche Wollerzeugung
dürfte, wenn man die Viehzählung von 1907
zugrunde legt und einen Wollertrag von 1½ kg
pro Stück annimmt, kaum mehr als annähernd
11 500 t betragen.
Deutschland ist somit darauf angewiesen, seinen
Bedarf an Schafwolle zum größten Teil aus dem
Auslande zu entnehmen, und zwar zählt die
Schafwolle zu den wichtigsten deutschen Einfuhr=
artikeln. Bis zum Jahre 1897 stand sie dem
Werte nach an erster Stelle und machte zwischen
5 und 6 Prozent des jährlichen Gesamteinfuhr=
wertes aus. Im Jahre 1897 trat die Woll-
einfuhr an Wert hinter die Baumwolleinfuhr
zurück, hat sich jedoch seitdem mit Ausnahme des
Jahres 1899, wo sie wiederum an der ersten
Stelle stand, auf dem zweiten Platz behauptet
und stellte im Jahre 1907 4,5 v. H. des Wertes
der Gesamteinfuhr dar. Die nachstehende Über-
sicht veranschaulicht die Einfuhr von Schafwolle
im letzten Jahrzehnt unter Berücksichtigung der
Herkunft.
Einkuhr von Schafwallsz
n aus euro ·
Ansgelamti vntt
Jahr
1000 Millionen 1000 Millionen
Tonnen WMart Tonnen Mart
1898 176,8 241,4 1386 164.2
1899 177,6 328.4 138.5 223,7
1900 138,.1 261,6 113,n2 197,3
1901 150,2 281,7 121,1163,7
1902 161,8 273.9 131,9 197,6
1903 166,.3 288.6 140,2 222,4
1904 159,0 289,9 133.6 225.6
1905 165,2 327,2 137,8 252.7
1000 174.8 372.3 142,8 282,8
1907 185,3 394,.0 158,.1 319,1
Die Einfuhr von Schafwolle ist somit in den
letzten zehn Jahren der Menge nach ziemlich
gleich geblieben. Der Wert der Einfuhr ist jedoch
ganz erheblich gestiegen, nämlich seit 1898 um
63,21 v. H. Die Ausfuhr von roher Schaf-
wolle ist im Verhältnis zur Einfuhr gering und
ist der Menge nach in den 90er Jahren größer
gewesen als heute. Ihr Wert ist gegen früher
gestiegen und schwankte in den letzten zehn Jahren
zwischen 20,4 Millionen Mark im Jahre 1898
und 43,7 Millionen Mark im Jahre 1907. Ein
Teil der im Jahre 1907 ausgeführten rohen
Schafwolle entstammt der eigenen Produktion.
Man wird demnach annehmen können, daß die
Deckung unseres eigenen Bedarfs im Jahre 1907