Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

W 1074 20 
Künstliche Bewässerungsanlagen mit staatlicher 
Subvention in Oeriko. 
Von einschneidender Bedeutung für die Zu- 
kunft Mexikos könnte die Vorlage des Finanz- 
ministers vom 21. Mai 1908 über Irrigations= 
anlagen unter Protektion und Subvention der 
Regierung werden; sie macht sich die Kultivierung 
großer, brach liegender Landstrecken zur Aufgabe, 
namentlich sollen darauf Rohprodukte erzeugt 
werden, die, wie z. B. Baumwolle, bisher zum 
großen Teile dem Auslande entnommen werden 
und den Bedarf der heimischen Industrien voll 
decken, eventuell einen UÜberschuß für den Export 
liefern können, oder solche, die überhaupt für die 
Ausfuhr in Betracht kommen. Was bis jetzt in 
dieser Beziehung durch private Unternehmungen 
geschehen ist, hat guten Erfolg gehabt, ist aber 
ein verschwindend kleiner Bruchteil von dem, was 
geschehen könnte, und es zeugt von großer Einsicht 
der Regierung, daß sie sich entschließt, auf diesem 
Gebiet in größerem Umfang bahnbrechend zu 
wirken und dafür entsprechende Opfer zu bringen. 
Sie verlangt vom Kongreß Autorisation für fol- 
gende Maßnahmen: 
1. Subventionen bis zur Gesamthöhe von 
25 000 000 8 an Frrigationsunternehmungen bei 
speziellen Konzessionsverträgen, wenn die Arbeiten 
firiert und als Einheit der Hektar bewässerungs- 
fähigen Landes oder der Kubikmeter des in Re- 
servoirs oder Sperren aufspeicherbaren Wasser- 
quantums zugrunde gelegt wird. 
2. Für einen Zeitraum von höchstens zehn 
Jahren Bewilligung der freien Einfuhr von land- 
wirtschaftlichen Geräten, Werkzeugen, Maschinen 
und Arbeitsmitteln, Konstruktionsmaterialien, Saat- 
korn, Zuchtvieh, — immer unter der Voraus- 
setzung, daß diese oder gleichartige Objekte nicht 
zu annähernd gleichen Bedingungen im Lande 
selbst zu beschaffen sind und nach vorhergegan- 
gener Verständigung zwischen Finanz= und Land- 
wirtschaftsministerium. 
Bei den zu erteilenden Konzessionen soll 
die Regierung den Interessenten versichern können, 
daß vor einer bestimmten Frist die Produkte der 
künstlich bewässerten Terrains durch Exportzoll 
nicht belastet werden sollen. 
4. Für Irrigationsanlagen kann in Frage 
kommender Grund und Boden nach den im all- 
gemeinen Eisenbahngesetz festgesetzten Regeln ent- 
eignet werden. 
5. Errichtung eines Etablissements, das den 
Zweck haben soll, an Irrigationsunternehmungen 
Darlehen zu geben und als Aktiengesellschaft mit 
beschränkter Haftung (Sociedad anonima) im 
Einklang mit dem Handelsgesetz und auf Grund- 
lagen, welche die Regierung durch das Finanz= 
  
ministerium festsetzen wird, zu organisieren wäre. 
Die Regierung kann der erwähnten Gesellschaft 
die Befreiungen und Ausnahmen, von denen 
das Allgemeine Gesetz für Kreditinstitute spricht, 
erteilen, ebenso die Befugnis, Bonds mit Garantie 
der Nation unter Bedingungen und Kompen- 
sationen, welche die Regierung für zweckentsprechend 
und billig erachtet, auszugeben. In den Kon- 
zessionen sollen Regeln festgelegt werden, damit 
die Darlehen in allererster Linie den Unter- 
nehmungen zuteil werden, welche die Entwicklung 
des Nationalreichtums durch Anlage von Frri- 
gationswerken fördern. Die Darlehen sollen ge- 
geben werden gegen erstklassige Hypothek, Unter- 
pfand oder Garantie des darlehnsuchenden Unter- 
nehmens, oder unter der Verantwortlichkeit einer 
von der Föderation konzessionierten Bank; sie 
sollen die Zeitdauer von 15 Jahren nicht über- 
schreiten und mäßige Zinsen tragen, wie sie im 
Verhältnis zu den Zinsen, Amortisations= und 
sonstigen Unkosten stehen, die dem Etablissement 
durch die Bondsausgabe erwachsen. Die Bonds- 
schuld, die für Kapital und Zinsen von der Nation 
zu garantieren ist, soll eine Gesamthöhe von 
50 000 3 nicht überschreiten. 
Es ist selbstredend, daß diese Initiative der 
Regierung keine unmittelbaren Erfolge zeitigen, 
also die gegenwärtige Lage nicht ändern kann; 
aber daß sich nach und nach unter ihrem Einfluß 
eine segensreiche Wandlung für die Landwirtschaft 
und den landwirtschaftlichen Export Mexikos voll- 
ziehen wird, dürfte kaum zweifelhaft sein. In 
welcher Weise das nationale Irrigations-Unter- 
stützungs-Etablissement zustande kommen wird, 
läßt sich heute, wo überall Geldknappheit herrscht 
und das ausländische Interesse für Mexiko zeit- 
weise in den Hintergrund getreten ist, vielleicht 
auch an kompetenter Stelle noch nicht mit 
völliger Sicherheit sagen; zunächst verfügt ja die 
Regierung über genügende Barmittel für Sub- 
ventionen, und Unternehmungen, an die sich un- 
mittelbar anknüpfen läßt, sind auch vorhanden. 
In dem Sinne sind bereits. Vorverhandlungen 
angeknüpft worden mit der vor einigen Jahren 
mit einem Kapital von 10 000 000 8 gegründeten 
Compalla Agricola La Santeha, die über 
750 000 ha verfügt, im Norden mit der National- 
bahn in Verbindung steht und durch Reinigen 
der Barre von Sandoval eine direkte Verbindung 
mit dem Golfe von Mexiko herstellen kann. Die- 
selbe betreibt bisher Viehzucht (10 000 Stück 
Rindvieh, 8500 Pferde und 50 000 Schafe und 
Ziegen), hat aber bereits verschiedene artesische 
Brunnen gebohrt und umfassende Studien für 
Anlagen größerer Irrigationswerke gemacht, wofür 
die Flüsse von San Juan, Las Conchas und 
El Bravo die Grundlage bilden. Man erwartet,
	        
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