Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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straße des Ortes müssen die Häuser der Griechen 
und der arabischen Händler die eleganten Juwelier- 
läden der „Kolonnaden“ unserer Badeorte ersetzen. 
Der Ort ist ganz auf Lava aufgebaut; die 
an der Sonne getrockneten Luftziegel sind aus 
Lehm und Asche fabriziert. Die Grundmauern 
der neu gebauten Häuser bestehen aus Lava- 
blöcken, ja man sieht sogar solche, deren Wände 
vollständig aus jungvulkanischem Gestein hergestellt 
werden. 
Das Erstaunlichste an Kissenyi ist wohl seine 
Entwicklung. Als vor einem Jahre diese Militär- 
station angelegt wurde, bestand der Ort aus 
wenigen alten Negerhütten. Um die neu anzu- 
legenden Wege zu trassieren, mußte man sich mit 
der Axt in der Hand einen Weg durch das dichte 
Buschwerk schlagen. Und jetzt, nach Jahresfrist, 
bietet sich dem erstaunten Auge ein täglich 
wachsender, blühender Handelsort mit fast 800 
Seelen. 
Das Klima ist vortrefflich; die frische Brise 
des Sees sorgt für die nötige Kühle; keine 
menschenquälenden Moskitos rauben dem Euro- 
päer den Schlaf. Kissenyi dürfte ein schlagender 
Beweis für die Entwicklungsfähigkeit unseres 
deutschen Schutzgebietes, auch hier oben, sein. 
17. Oktober. 
Der Expedition war in Kissenyi eine nur 
verhältnismäßig kurze Ruhe gegönnt. Am 
30. August trafen Dr. Schubotz und Mildbread 
und am 3. September Oberleutnant Weiß mit 
Dr. Kirschstein ein. Die erstgenannten Herren 
hatten sich beim Sultan Msinga von der Haupt- 
karawane getrennt, um dem von der Hauptstadt 
dieses Sultans südöstlich gelegenen Rugege-Wald 
einen Besuch abzustatten. Die beiden letzteren 
hatten, wie gleichfalls schon erwähnt, eine genaue 
Topographie der sogenannten „weißen Flecke“, jener 
noch völlig unbekannten Buschsteppen südlich von 
Mpororo, vollendet. Über den goeologischen 
Charakter dieses Gebietes sagt Dr. Kirschstein 
unter andrem folgendes: „Der Charakter der 
außerordentlich zerrissenen Gebirgslandschaft er- 
innert sehr an den von Karagwe. Hier wie 
dort läßt sich ein annähernd nordsüdliches 
Streichen der Häupttäler und der Gebirgsrücken 
beobachten, und auch in stratigraphischer Hinsicht 
herrschen die gleichen Verhältnisse vor. Im 
wesentlichen sind es versteinerungsleere, rötliche 
bis blaugraue Tonschiefer, sowie archäische 
Glimmerschiefer und Gneiße, aus denen sich die 
Gebirge aufbauen. Unsere Arbeiten wurden sehr 
erschwert durch die teilweise unbotmäßige Be- 
völkerung dieses Gebietes, deren kriegerischer 
Sinn dank der reichen Pombe-Ernte einen be- 
denklichen Grad erreicht hatte." 
  
Zum ersten Male seit Bukoba waren die 
Mitglieder der Expedition bis auf Dr. Czekanowski, 
der seine beim Mfinga und in Kissakka gesammelten 
Erfahrungen durch weitere Studien in Ruasa er- 
gänzte, wieder vollzählig versammelt. So galt 
es nun, das gesammelte Material hier aufzu- 
arbeiten, zu etikettieren, zu ergänzen und in 
Kisten zu verpacken, denn wieder sollte eine 
größere Karawane zum Versand über Bukoba 
nach Europa abgeschickt werden. Tagebücher 
wurden vervollständigt, Briefe und Berichte ge- 
schrieben, kurzum, die erhoffte Ruhe verwandelte 
sich in angestrengte Tätigkeit. 
Nun wurde der folgende Arbeitsplan ent- 
worfen: Oberleutnant Weiß wurde damit be- 
traut, zunächst eine genaue Topographie von der 
Nordspitze des Kiw#-Sees bis Niragongo und 
Kissenyi vorzunehmen; er ist jetzt damit be- 
schäftigt, diese Tätigkeit an der Grenzlinie entlang 
bis zum Schnittpunkt von 1°207 südl. Breite und 
30 östl. Länge fortzusetzen. Weiß konnte fest- 
stellen, daß die Nordspitze des Sees viel weiter 
nordwestlich liegt, als auf der Hermannschen 
Karte angegeben ist. Er konnte ferner den neuen, 
1904 entstandenen Krater kartographisch festlegen. 
Weiß hat ferner vom Ngoma= Berge ein voll- 
ständiges stereoskopisches Rundbild des Vulkan- 
geländes aufgenommen und eine hochinteressante 
phototheodolithische Aufnahme eines starken Aus- 
bruches des Namlagira-Vulkanes fertiggestellt, die 
durch eine Nachtaufnahme Dr. Kirschsteins vom 
Issowi-Krater vervollständigt worden ist. 
Über die Vulkane selber ein abgeschlossenes 
Urteil zu bilden, ist zur Zeit noch nicht möglich, 
da die Arbeiten Dr. Kirschsteins noch im vollen 
Gange sind; doch konnte er während der Dauer 
seines Aufenthaltes im hiesigen Gebiet schon 
einige sehr bemerkenswerte Punkte konstatieren. 
Er berichtet darüber folgendes: „Ich stellte 
Untersuchungen über den früheren Wasserstand 
des Kiwu-Sees an, die zu dem Ergebnis führten, 
daß der Spiegel des Sees einst um 5 bis 5½ m 
höher gelegen haben muß als heute. Auch ge- 
lang es mir, in den Sinterkalken des Kiwu-Sees, 
die das ganze Nordost= und Nordufer mit Aus- 
nahme des flachen Sandstrandes von Kissenye 
umrahmen, eine reiche, jetzt ausgestorbene Fauna- 
zu sammeln, die Aufschluß über das zoologische 
Alter des Sees geben dürfte, dessen Entstehung 
bekanntlich mit der Entstehung des großen 
zentralafrikanischen Grabens in Zusammenhang 
gebracht wird, auf dessen Sohle ja auch der 
Tanganjika sowie der Albert-Edward und der 
Albert-Rjansa liegen. Weitere Untersuchungen 
erstreckten sich auf die heißen, schwefelwasserstoff- 
haltigen Quellen von Irungatscho, deren höchste 
Temperatur auf 72= C. kestgestellt wurde, ferner
	        
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