Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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und eine hochbedentsame Rolle in der wirtschaft- 
lichen Entwicklung der ganzen Welt spielen wird. 
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Aber es wäre sehr unrecht, und ich würde 
meine Pflicht vernachlässigen, wenn ich im Gefühl 
der erklärlichen Begeisterung und des Vergnügens, 
das ich beim Anblick solch ausgedehnter Gebiete 
empfunden habe, mich zu einem unrichtigen oder 
unvollkonimenen Bericht über ihre Eigenschaften 
verleiten ließe. Es gibt eine Kehrseite der 
Medaille, die niemand zu verheimlichen suchen 
sollte. Die Tatsache, daß die Luft in Ostafrika 
kühl ist, darf uns nicht vergessen lassen, daß man 
sich unter dem Aquator befindet; die Tatsache, 
daß die Luft heiter und erfrischend ist, kann die 
weitere Tatsache nicht beseitigen, daß eine Höhe 
von 6000 oder 7000 Fuß als eine für enropäisches 
Leben sehr ungewöhnliche erscheint. Die Schön- 
heit der Landschaft kann niemals die wilden 
Tiere, die schädlichen Insekten und die gefähr- 
lichen Krankheiten aus der Welt schaffen, die sich, 
wo es auch sein möge, dem Ansiedler und Pionier 
entgegenstellen. Ich glaube, es wäre ein großer 
Fehler, wenn wir versuchen wollten, durch künst- 
liche Mittel die Auswanderung nach diesen 
Gegenden zu vermehren oder zu erhöhen, Der 
beste Weg, um der Bevölkerung die Möglichkeit 
der Entwicklung zu geben, ist der, daß man den 
Leuten, die schon dort sind, zum Erfolge ver- 
hiltt und daß man durch den auf natürlicher 
und wirtschaftlicher Basis errungenen Erfolg dieser 
Teute andere ermutigt, dem Beispiel jener zu 
folgen und ihr Lebenslos zu teilen. Es ist 
selbit für die besten Teile von Aquatorial-Afrika 
nhicht erwiesen, daß der weiße Mann zehn bis 
zwolf Jahre dort leben kann, ohne in seinen 
Nerven oder physischen Kräften herunterzukommen. 
Noch weniger ist es erwiesen, daß er seine Kinder 
aumziehen und ihnen ihre Art für mehrere Gene- 
ralionen bewahren kann, ohne daß eine fühlbare 
Kercchlechterung einträte. Solange aber, als diese 
Tinge nicht erwiesen sind, muß die letzte Form 
der Enwicklung jener Länder — ich sage nicht 
ihr Wert, denn der steht außer Zweifel — eine 
auherst unsichere bleiben. Immerhin glaube ich, 
ah viele der gegenwärtigen Schwierigkeiten bei 
santgesetter Anwendung moderner Wissenschaft, 
elier ortgeeseter Entwicklung der Verkehrs= und 
bon nderen Zivilisationsmittel im wesentlichen 
Landht werden können. Die Entwicklung des 
werten sollte jedenfalls unermüdlich fortgesetzt 
puntt u Schon vom rein finanziellen Stand- 
Sache tuss dürften wir nicht unser Geld für eine 
zum'eemerichwenden, wenn wir ihr doch nicht 
wir derolge, helfen wollten. Die Summen, die 
en afrikanischen Kolonien und Protektoraten 
  
als Zuschüsse bezahlen, sind bedeutend und werden 
bedeutend bleiben, bis diese Länder auf die Höhe 
eines wirtschaftlichen Besitztuns gebracht sind. 
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Wir dürfen bezüglich dieser Protektorate, die 
wir auf jeder Seite von Afrika so leicht in unseren 
Besitz gebracht haben, nicht vergessen, daß sie in 
steigendem Maße unsere Arbeiter= und Industrie- 
bevölkerung mit dem unentbehrlichen Roh- 
material versehen werden. Baumwolle, Gummi, 
Fasern, Hauf und viele andere Waren werden 
in wachsender Flut hereinströmen. Bei der 
Baumwolle kann bewiesen werden, daß der be- 
stehende Mangel, daß unsere Abhängigkeit von 
einer einzigen Bezugsquelle die Spekulation viel- 
fach in den Stand gesetzt hat, den Preis des 
Rohmaterials auf eine übertriebene Höhe zu 
steigern und von dem fleißigen, angestrengt 
arbeitenden Volk der ganzen Grasschaft Lancashire 
eine drückende Steuer zu nehmen. 
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r 
Aber als den Hauptgrund, warum wir in 
unseren Bemühungen, diese Länder zu entwickeln, 
nicht erlahmen dürfen, möchte ich jedoch das 
Interesse an den eingeborenen Rassen ins 
Feld führen. Natürlich kommen in so großen 
Verwaltungen von Zeit zu Zeit Dinge vor, die 
jedermann bedauert und die kaum irgend jemand 
verteidigen wird. Ich muß jedoch sagen, daß ich 
äußerst angenehm überrascht war — — nein, ich 
will nicht sagen „überrascht“. Ich gewann einen 
sehr angenehmen Eindruck von der Art, wic ein 
großer Teil unserer Zivil= und Militärbeamten, 
die ich traf, der Eingeborenenbevölkerung gegen- 
über seine Pflicht erfüllte. Ich fand unsere 
Beamten entschlossen, die ihnen anvertrauten 
Bölker vor Ausbentung und Spekulation gegen 
diejenigen zu schützen, die den Eingeborenen 
lediglich zu pekuniären Vorteilen auszunützen 
wünschen. Ich bin sicher, es wäre ein böser Tag 
für die ausgedehnte Bevölkerung von Ostafrika 
und Uganda, wenn sie von der besorgten, selbst- 
losen Herrschaft britischer Beamter losgelöst und 
dafür der reinen Selbstsucht einer kleinen lokalen 
Gemeindeverwaltung überantwortet würde. 
1 r— 
* 
Das anziehendste und interessanteste Schau- 
spiel, von dem ich Augenzeuge gewesen bin, war 
der Eingeborenenstaat Uganda. Mein Freund, 
Mr. Hemphill, hat Ihnen von einem Volke 
erzählt, dem man so lange keine Handschuhe ver- 
kaufon konnte, bis es sich erst mit den anderen, 
noch unerläßlicheren Gegenständen schneiderlicher 
Kunst vertraut gemacht hatte. Wohlan, kein 
größerer Gegensatz kann dem Geist eines Mannes 
:)
	        
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