Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

G 193 20 
charakters, so ist doch die Frage nach ihrer rein 
persönlichen Seite vielleicht nicht so sehr von Be- 
deutung, da die Arbeiter gut behandelt werden 
und einen anständigen Lohn erhalten. Dieser 
ist viel höher, als er in der Regel von Farmern 
an ihre Arbeiter gezahlt wird. (Und selbst bezüg- 
lich dieses geringeren Farmerlohns hört man — 
nebenbei bemerkt — außer von den betroffenen 
Eingeborenen keinerlei Klagen.) 
Vom öffentlichen Standpunkt aus betrachtet, 
stellt der Frondienst einen gewichtigen der engeren 
Besiedlung der Eingeborenendistrikte entgegen- 
wirkenden Faktor dar. Denn, wie bestimmt ver- 
sichert wird, ist die Abneigung der Eingeborenen 
gegen den Frondienst so stark, daß viele davor 
zurückschrecken, in jenen Distrikten zu leben, selbst 
wenn sie anderswo eine Hüttenstener bezahlen 
müssen. Da aber der engere Zusammenschluß der 
Eingeborenen-Ansiedlungen einer derhervorragend- 
sten Charakterzüge der hier vorgeschlagenen Politik 
ist, so sollte alles, was dem vollen Erfolg dieser 
Politik entgegenwirken könnte, beseitigt werden. 
Zu dem, was imbesonderen gegen den Frondienst 
vorgebracht worden ist, kommt vor allen Dingen 
die gewaltige Kraft der heutigen öffentlichen Mei- 
nung hinzu, die der Fronarbeit in irgend einer 
Form aufs schärste abgeneigt ist. Es ist demgemäß 
dringend darauf hingewiesen worden, daß die Re- 
gierung ohne Zeitverlust einen befriedigenden Ersatz 
finden sollte, um Arbeitskräfte für die öffentlichen 
Arbeiten zu schaffen. Das kann nach den Anträgen 
der Kommission auf zweierlei Art geschehen: ein- 
mal durch das vorgeschlagene öffentliche Arbeits- 
bureau mit oder ohne private Anwerber oder Unter- 
nehmer, oder zweitens dadurch, daß mit den Häupt- 
lingen der Ansiedlung eine Vereinbarung getroffen 
wird, Leute für öffentliche Arbeiten anzuwerben, 
indem man sie belohnt mit einer nach der Kopfzahl 
zu berechnenden Prämie. Der Marktpreis der Löhne 
müßte bezahlt und der Vertrag müßte auf einer 
monatlichen Grundlage abgeschlossen werden. 
Kontrakte für Unterhaltung und Wiederherstellung 
der Wege in bestimmten Abschnitten würden not- 
wendigerweise bei der Erwägung irgend einer Ande- 
rung des Systems mit in Betracht zu ziehen sein. 
Die Aufhebung der Fronarbeit sollte nicht nur 
rein auf dem Papier ausgeführt, sondern öffent- 
lich verkündet und über die ganzen Ansiedlungen 
hin als ein Teil des vorgeschlagenen Programms 
erklärt werden. Falls dieses Programm ange- 
nommen würde, bestände es darin, daß die Be- 
siedlungssteuer wieder eine zweckmäßigere Form 
erhielte. Man würde nämlich die Abgaben inner- 
halb jener Distrikte in der Weise festlegen, daß die 
Hüttensteuer erhöht, die Kopfsteuer abgeschafft und 
die Hundetaxe abgeändert würde. Es ist von 
Wichtigkeit, daß die Abschaffung der Kopfsteuer zu- 
  
gleich mit dem Wechsel in der Besteuerung als 
solcher ausgeführt werden sollte. Die Aufhebung 
oder selbst Verkürzung der jetzt dem Oberhäuptling 
zustehenden Befugnisse, die Eingeborenen in Zeiten 
dringenden Bedürfnisses zur Leistung von Diensten 
für das öffentliche Wohl heranzuziehen, bildet keinen 
Bestandteil dieses Vorschlages. Diese Frage ist 
wohl erwogen worden; jene Befugnisse sollten 
aber keine Veränderung erleiden. 
Der Bericht in seiner Gesamtheit liefert viel 
Stoff zum Nachdenken. Die Natal-Regierung hat 
sich Zeit genommen, den Bericht zu prüfen, und 
sie hat es während der ganzen letzten parlamen- 
tarischen Session überhaupt abgelehnt, vor der 
Offentlichkeit eine Erklärung über ihre Politik in 
dieser Frage abzugeben. 
Ksiaten in Transvaal.) 
In einer Rede, die der Kolonialsekretär in 
Pretoria, Mr. Smuts, kürzlich gehalten hat, 
führte er aus, die Regierung habe nicht gedacht, 
daß die Registrations-Akte zu den gegen- 
wärtigen Schwierigkeiten führen würde. Er nahm 
Bezug auf die Tausende von falschen Erlaubnis- 
scheinen, welche während der letzten fünf Jahre 
verkauft worden sind, und stellte fest, daß während 
jener Zeit 1500 Verfolgungen von Indiern statt- 
gefunden haben, weil sie im Besitze falscher Er- 
laubnisscheine waren oder weil sie versuchten, 
ohne solche Erlaubnisscheine in das Land zu 
kommen. Das System der Fingerabdrücke war 
in Indien in Anwendung, hat dort aber keinen 
Widerspruch in religiöser Beziehung erfahren. 
Die Verordnung schützte die Indier, die gesetz- 
lich berechtigt waren, in Transvaal sich aufzu- 
halten. Die weiße Bevölkerung war bezüglich 
dieser Frage einmütig derselben Ansicht, und des- 
halb stimmte die Britische Regierung der Maß- 
nahme bei. Mr. Gandhi und seine Freunde 
aber entfachten eine Agitation und suchten Indier 
zusammen, die infolge davon sich davor fürchteten, 
ihre Eintragung zu beantragen. 
Unter Bezugnahme auf die Weigerung von 
Chinesen, sich der Verordnung zu unterwerfen, 
bemerkte Mr. Smuts, daß der chinesische Konsul 
ihm versichert habe, es beständen keine Bedenken 
gegen die Registrierung von Chinesen. Die Agi- 
tation und die Beschränkung waren weit ver- 
breitet, und das einzige, was die Regierung tun 
konnte, war, nach dem Gesetze zu verfahren. 
Ein guter Erfolg des Gesetzes war, wie der 
Kolonialsekretär ausführte, darin zu erblicken, daß 
5000 Asiaten, die kein Recht hatten, sich in Trans- 
“) Aus The Times Weerklx Edirion-, 10. Ja- 
nuar 1908.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.