Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Grunde nicht nach Wunsch reüssiert, aus dem auch 
gewisse kleine Siedlungen in Deutsch-Ostafrika in 
einer gewissen Gefahr sind. Das liegt daran, 
daß der Europäer in den Tropen ohne erhebliche 
Geldwirtschaft nicht auskommt. Er muß für seine 
Kleider, Schuhe, für Bücher, Medizin usw., für 
Kinder bares Geld in der Hand haben, weil er 
das in seiner neuen Heimat nicht produzieren 
kann, nicht beschaffen kann; er muß schon expor- 
tieren. Ein exportierender Bauer hat es schwer, 
wenn er nicht eine Kultur entdeckt, die man ander- 
wärts nicht herstellen kann. 
Nun sage ich: Deutsch-Ostafrika ist merkantil 
viel besser entwickelt als Britisch-Ostafrika. Wenn 
wir die Bahnen früher gebaut hätten, würden 
wir die Engländer um verschiedene Pferdelängen 
schlagen. Jetzt kommt der britische Unterstaats- 
sekretär und sagt: Macht das wie die Deutschen 
in Usambara, baut Plantagen, gebt es auf mit 
eurer Kleinwirtschaft! Was daraus wird, will ich 
nicht sagen; aber hier haben Sie die Konkurrenz. 
Deswegen meine ich: wir müssen unsere Kräfte 
nach allen Richtungen hin zu konzentrieren 
suchen. Wir können es aber nicht tun auf dem 
Wege der Gewalt und des Zwanges, weil wir 
die Mittel nicht haben; nicht auf dem Wege der 
Bedrückung durch Steuern und Lasten, weil uns 
die Leute sonst unfehlbar in das benachbarte Ge- 
biet ausweichen. Wer z. B. die Zustände an 
der russischen Grenze kennt, der weiß, daß jeder 
herauskommen kann, aber keiner herein. So auch 
hier. Jeder kann hinaus, aber keiner kann 
herein, denn dann wird er bestraft. Also bleibt 
er draußen. 
Wir müssen uns mit den verständigen Mitteln 
versehen, welche die Engländer schon lange haben, 
nämlich mit einer physisch-sanitären Besserstellung 
gegenüber einfachen Verhältnissen und einer mensch- 
lichen und gerechten Behandlung. (Bravol) 
M. H.! Im Munde der Pflanzer klingt das 
alles so, als ob das ganz neue Dinge wären, 
die von Herrn v. Rechenberg oder mir ver- 
langt werden. Im Jahre 1905 hat aber Herr 
Graf Götzen in langen Reskripten die selben 
Forderungen zurückgewiesen. Er hat überhaupt 
auf einem den hier entwickelten Grundsätzen durch- 
aus analogen Standpunkt gestanden. Als Herr 
v. Rechenberg zum Gouverneur von Ostafrika be- 
stimmt wurde, hatte ich die Plantagengesellschaften 
in Berlin versammelt und ihnen Vorschläge ge- 
macht: Organisiert euch, macht eine Genossen- 
schaft, wir wollen euch helfen! Die Pflanzer- 
gesellschaften waren verständig und haben es getan. 
Sie haben einen Mann hinausgeschickt und als 
der ankam, haben die dortigen Pflanzer den Ver- 
trag nicht anerkannt und einen neuen mit dem 
betreffenden Anwerber gemacht. Es ist ein großer 
  
Prozeß daraus entstanden, und heute sind wir 
wieder da, wo 1906 Herr v. Rechenberg ange- 
fangen hat. Ich muß es zum Lobe der hiesigen 
Leitungen der großen Plantagen sagen, daß sie 
das Vorgehen ihrer Vertreter draußen weder jetzt 
noch früher billigten. 
Also die Herren da draußen, die sich be- 
schwerdeführend an das Hohe Haus gewendet 
haben, mögen sich beruhigen. Es ist das warme 
Interesse für sie und der Wunsch vor- 
handen, sie zufrieden zu stellen; aber es 
kann nur mit solchen Mitteln geschehen, die 
nichts Gleichberechtigtes im Schutzgebiete 
verletzen. Und jetzt komme ich auf diese 
anderen Interessen im Schutzgebiete. 
Ich habe Ihnen j ja vorhin schon über die Beob- 
t, die ich dortanstellte. 
teh habe in Bukoba, Schrrati, in Usukuma, in 
Unjamwesi lange Strecken gefunden, die regel- 
mäßig bestellt waren, auf denen die Leute pro- 
sperieren mit Ackerbau und Viehzucht. Zunächst 
habe ich mir diese Gegenden auf das angesehen, 
was dort eigentlich natürlich wächst, d. h. auf 
Nahrungsmittel, von denen man, ohne etwas zu 
tun, leben kann. Solche gibt es dort aber gar 
nicht. Niemand kann in Ostafrika im Hochplateau 
leben, wer nicht für sich selbst etwas arbeitet. 
Ob er Gummi oder Wachs einsammelt, ob er 
Viehzüchter ist, ob er Reis, Hirse oder etwas 
anderes baut — irgend etwas muß er tun. Das 
wird bewiesen durch die Ziffern, welche der Handel 
von Ostafrika zeigt. Der größte Ausfuhrhafen 
des Schutzgebietes ist Muansa. Wenn Sie nach- 
sehen wollen, was dort ausgeführt ist, so ist es 
mehr als in Tanga. Muansa hat aber keine 
Plantagen, und wenn jemand sagt, daß das ein 
Urteil sei, das auf falschen Voraussetzungen be- 
ruhe, so weise ich die Herren auf Togo hin. 
Dort wird gleichfalls Handel getrieben, werden 
Steuern bezahlt, dort ist aber nur eine einzige 
Plantage. 
Daraus habe ich den Schluß gezogen, daß 
wir für die Zukunft von Ostafrika sehr gutes er- 
warten können, wenn wir neben der Pflege der 
dort eingewanderten europäischen Unternehmungen 
uns auch, und zwar sehr stark, mit der För- 
derung und Entwicklung der Negerkulturen 
beschäftigen. Die Leute sind durchaus gelehrig, 
und wenn sie auch nicht so arbeitswillig sind, so“ 
sind sie doch sehr erwerbsbegierig. Dazu haben 
sie bisher nicht die Möglichkeit gehabt; es hat 
kein Verkehr und kein Handel in genügendem 
Umfange stattgefunden; jetzt aber können Sie 
sehen, daß aus Schirati schon eine große Menge 
von Erdnüssen kommen, Sie können sehen, daß 
auf 150 km von Muansa dasselbe geschieht und 
Sie können sehen, daß sich ein Handel von 8 Mil-
	        
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