Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Dieser Gedanke hat zur Einsetzung eines Rates 
für Vervollkommnung des Unterrichts geführt, er 
ist beauftragt: 
Alle die Schaffung oder Umgestaltung des 
Eingeborenennnterrichts betreffenden Fragen 
zu prüfen; 
den Wortlaut der von der Verwaltung oder 
unter ihrer Förderung veröffentlichten Lehr-, 
Lese-, Nachschlage-, oder Wörterbücher der 
Hauptsprachen des Landes durchzusehen; 
. den Plan einer für die eingeborenen Lehrer 
und Gelehrten bestimmten Zeitschrift aufzu- 
stellen und deren Veröffentlichung zu über- 
wachen: 
l#Wnter den einheimischen alten und neuen 
Werken über Literatur, Philosophie oder 
Geschichte diejenigen auszusuchen, die zu er- 
halten oder neu herauszugeben sind. 
„Das Studium der Geschichte“, sagte Herr 
Beau bei Eröffnung der ersten Sitzung des ge- 
nannten Rats, „hat die befangenen Ansichten von 
ehemals geändert und hat die frühere Lehr- 
meinung von der Assimilation beseitigt. Wir 
müssen uns bemühen — und es erscheint nicht 
unmöglich, dahin zu gelangen — wenigstens auf 
dem Gebiete des Unterrichts einige unserer Irr- 
tümer zu verbessern. Sie werden also das Mittel 
zu suchen haben, den einheimischen Gelehrten- 
unterricht wieder herzustellen. Ich brauche die 
Wichtigkeit dieses Unterrichts nicht zu betonen, er 
bildet die Grundlage der sittlichen Erziehung der 
Anamiten und die ihrer Familieneinrichtungen. 
Die Verwaltung von Cochinchina stellt fest, daß 
das Aufgeben der chinesischen Schriftsprache eine 
beträchtliche Unsicherheit bei den Eingeborenen 
hervorgerufen hat. In vielen Dörfern findet 
man nur noch mit Schwierigkeit Eingeborene, die 
fähig sind, die früheren, in der Schriftsprache ver- 
faßten Verwaltungsurkunden oder Eigentumsnach- 
weise zu entziffern.“ 
Der Rat für Vervollkommnung hat sich mit 
allen Ländern besonders beschäftigt, die unser 
indochinesisches Reich bilden. So ist jedes der 
Gegenstand einer Sonderprüfung geworden, die 
erlaubt, seinem Unterricht eine mit seiner Ge- 
sittung übereinstimmende Richtung zu geben. 
Cochinchina. 
1899 zählte man in Cochinchina ungefähr 
200 Schulen ersten Grades mit etwa 10 000 
Schülern; der Unterricht wurde von eingeborenen 
Lehrern gegeben; man lehrte nur die chinesische 
Schriftsprache und die annamitische Sprache. 
Ferner bestanden 19 von 3800 Schülern besuchte 
sogenannte Elementarschulen; der Lehrplan war 
ungefähr der der Gemeindeschulen Frankreichs. 
Außerdem gab es das Gymnasium in Mytho und 
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das in Chasseloup-Laubat, das eine Gewerbe— 
abteilung hatte. Zusammen besuchten 15 000 
Kinder die Schulen, 300 000 waren im schul- 
pflichtigen Alter. 
Jetzt umfaßt der amtliche Unterricht in Cochin- 
china: 1. das Gymnasium Chasseloup-Laubat 
(160 französische und 160 eingeborene Kinder); 
2. die Bildungsstätte für eingeborene Lehrer; 3. die 
Gewerbeschule in Saigon (60 Schüler, davon 
57 eingeborene); 4. 17 Provinzialschulen; 5. 17 
Kantonalschulen; 6. die Gemeindeschulen in 
Sailgon; im ganzen 42 Schulen, die ungefähr 
6500 Schülern französischen Unterricht erteilen. 
Ferner gibt es 236 von mehr als 10 000 
Kindern besuchte Dorsschulen. 
Der Unterricht durch Ordensleute wird an 
5000 bis 6000 Kinder in etwa 100 Schulen 
erteilt. 
Es besteht auch ein Privatunterricht, den Ein- 
geborene in den sogenannten Schreibschulen er- 
teilen (278 Schulen mit 5300 Schülern). 
Mit Hinzurechuung der Schüler der Ordens- 
schulen empfangen 22500 Kinder — von 300000 
— französischen Unterricht. 
Der Unterricht in Cochinchina hat unter Herrn 
Doumer während der letzten Jahre eine gedeih- 
liche Entwicklung genommen. Der Rat hat sich 
besonders darüber geäußert, daß in einem Lande, 
das ständige Handelsbeziehungen mit dem Reiche 
der Mitte unterhält, der Unterricht der chinesischen 
Schriftsprache fast ganz ausgegeben worden ist. 
Als sehr nützliche Maßregel gegen diesen Zustand 
ist die Herausgabe eines kleinen Handbuches in 
chinesischer Schrift mit volkstümlichen sittlichen 
Vorschriften erfolgt. 
Cambodscha. 
1898 (vor der Ankunft des Herrn Doumer) 
gab es in Cambodscha zwei französische Schulen. 
Die Eingeborenen besuchten die von Bonzen ge- 
haltenen Schulen. 
1906 zählt der amtliche Unterricht neun Schulen, 
darunter eine Gewerbeschule. Diese Schulen werden 
von 785 Schülern besucht. 
Der Privatunterricht wird in sieben, von 245 
Schülern besuchten Ordensschulen erteilt; nur 
80 Schüler davon erhalten französischen Unterricht. 
Es gibt ferner in der Kolonie gegen 350 
Bonzenschulen (8000 Schüler), in denen das 
Französische nicht gelehrt wird. 
Mithin erhalten von 200 000 noch nicht 1000 
Kinder französischen Unterricht. 
Herr Beau führte über die Entwicklung des 
Unterrichts in Cambodscha u. a. folgendes aus: 
„Außer dem herkömmlichen und besonderen Unter- 
richt, den die jungen Cambodschaner im Tempel 
erhalten, gab es sozusagen bis in die letzten
	        
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