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Dieser Gedanke hat zur Einsetzung eines Rates
für Vervollkommnung des Unterrichts geführt, er
ist beauftragt:
Alle die Schaffung oder Umgestaltung des
Eingeborenennnterrichts betreffenden Fragen
zu prüfen;
den Wortlaut der von der Verwaltung oder
unter ihrer Förderung veröffentlichten Lehr-,
Lese-, Nachschlage-, oder Wörterbücher der
Hauptsprachen des Landes durchzusehen;
. den Plan einer für die eingeborenen Lehrer
und Gelehrten bestimmten Zeitschrift aufzu-
stellen und deren Veröffentlichung zu über-
wachen:
l#Wnter den einheimischen alten und neuen
Werken über Literatur, Philosophie oder
Geschichte diejenigen auszusuchen, die zu er-
halten oder neu herauszugeben sind.
„Das Studium der Geschichte“, sagte Herr
Beau bei Eröffnung der ersten Sitzung des ge-
nannten Rats, „hat die befangenen Ansichten von
ehemals geändert und hat die frühere Lehr-
meinung von der Assimilation beseitigt. Wir
müssen uns bemühen — und es erscheint nicht
unmöglich, dahin zu gelangen — wenigstens auf
dem Gebiete des Unterrichts einige unserer Irr-
tümer zu verbessern. Sie werden also das Mittel
zu suchen haben, den einheimischen Gelehrten-
unterricht wieder herzustellen. Ich brauche die
Wichtigkeit dieses Unterrichts nicht zu betonen, er
bildet die Grundlage der sittlichen Erziehung der
Anamiten und die ihrer Familieneinrichtungen.
Die Verwaltung von Cochinchina stellt fest, daß
das Aufgeben der chinesischen Schriftsprache eine
beträchtliche Unsicherheit bei den Eingeborenen
hervorgerufen hat. In vielen Dörfern findet
man nur noch mit Schwierigkeit Eingeborene, die
fähig sind, die früheren, in der Schriftsprache ver-
faßten Verwaltungsurkunden oder Eigentumsnach-
weise zu entziffern.“
Der Rat für Vervollkommnung hat sich mit
allen Ländern besonders beschäftigt, die unser
indochinesisches Reich bilden. So ist jedes der
Gegenstand einer Sonderprüfung geworden, die
erlaubt, seinem Unterricht eine mit seiner Ge-
sittung übereinstimmende Richtung zu geben.
Cochinchina.
1899 zählte man in Cochinchina ungefähr
200 Schulen ersten Grades mit etwa 10 000
Schülern; der Unterricht wurde von eingeborenen
Lehrern gegeben; man lehrte nur die chinesische
Schriftsprache und die annamitische Sprache.
Ferner bestanden 19 von 3800 Schülern besuchte
sogenannte Elementarschulen; der Lehrplan war
ungefähr der der Gemeindeschulen Frankreichs.
Außerdem gab es das Gymnasium in Mytho und
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das in Chasseloup-Laubat, das eine Gewerbe—
abteilung hatte. Zusammen besuchten 15 000
Kinder die Schulen, 300 000 waren im schul-
pflichtigen Alter.
Jetzt umfaßt der amtliche Unterricht in Cochin-
china: 1. das Gymnasium Chasseloup-Laubat
(160 französische und 160 eingeborene Kinder);
2. die Bildungsstätte für eingeborene Lehrer; 3. die
Gewerbeschule in Saigon (60 Schüler, davon
57 eingeborene); 4. 17 Provinzialschulen; 5. 17
Kantonalschulen; 6. die Gemeindeschulen in
Sailgon; im ganzen 42 Schulen, die ungefähr
6500 Schülern französischen Unterricht erteilen.
Ferner gibt es 236 von mehr als 10 000
Kindern besuchte Dorsschulen.
Der Unterricht durch Ordensleute wird an
5000 bis 6000 Kinder in etwa 100 Schulen
erteilt.
Es besteht auch ein Privatunterricht, den Ein-
geborene in den sogenannten Schreibschulen er-
teilen (278 Schulen mit 5300 Schülern).
Mit Hinzurechuung der Schüler der Ordens-
schulen empfangen 22500 Kinder — von 300000
— französischen Unterricht.
Der Unterricht in Cochinchina hat unter Herrn
Doumer während der letzten Jahre eine gedeih-
liche Entwicklung genommen. Der Rat hat sich
besonders darüber geäußert, daß in einem Lande,
das ständige Handelsbeziehungen mit dem Reiche
der Mitte unterhält, der Unterricht der chinesischen
Schriftsprache fast ganz ausgegeben worden ist.
Als sehr nützliche Maßregel gegen diesen Zustand
ist die Herausgabe eines kleinen Handbuches in
chinesischer Schrift mit volkstümlichen sittlichen
Vorschriften erfolgt.
Cambodscha.
1898 (vor der Ankunft des Herrn Doumer)
gab es in Cambodscha zwei französische Schulen.
Die Eingeborenen besuchten die von Bonzen ge-
haltenen Schulen.
1906 zählt der amtliche Unterricht neun Schulen,
darunter eine Gewerbeschule. Diese Schulen werden
von 785 Schülern besucht.
Der Privatunterricht wird in sieben, von 245
Schülern besuchten Ordensschulen erteilt; nur
80 Schüler davon erhalten französischen Unterricht.
Es gibt ferner in der Kolonie gegen 350
Bonzenschulen (8000 Schüler), in denen das
Französische nicht gelehrt wird.
Mithin erhalten von 200 000 noch nicht 1000
Kinder französischen Unterricht.
Herr Beau führte über die Entwicklung des
Unterrichts in Cambodscha u. a. folgendes aus:
„Außer dem herkömmlichen und besonderen Unter-
richt, den die jungen Cambodschaner im Tempel
erhalten, gab es sozusagen bis in die letzten