Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Nachdem der Gouverneur die Meldung des 
Stationschefs entgegengenommen hatte, begaben 
wir uns an Land. Ich schloß mich dem mit uns 
reisenden Ethnologen zu einem Ausflug nach der 
Insel Popoko an. Wir landeten mit unserem 
Boot an einem hart an der Küste gelegenen 
Dorfe, von dessen Einwohnern wir freundlich 
empfangen wurden. Die Häuser stehen fast durch- 
weg auf etwa 2 m hohen Pfählen und sind auf 
der Vorderseite mit einer kleinen Veranda ver- 
sehen, von der aus die Weiber — ihre Männer 
waren fast alle am Wegebau auf Bougainville 
beschäftigt — unserm Tun zuschauten. Mein Be- 
gleiter fand hier infolge des freundlichen Ent- 
gegenkommens der Eingeborenen für seine Studien 
reichen Ertrag. Erwähnt sei die kunst= und ge- 
schmackvolle Art, wie die Wände der Häuser ge- 
flochten waren. Das Dorf selbst ist ziemlich 
groß. Unmittelbar dahinter erheben sich steil 
anstrebende, schwer zugängliche Höhen. 
Am 18. Juli dampfte der „Seestern“ nach 
Toberei. Der die Küste entlang führende Weg 
ist breit ausgeschlagen, zu beiden Seiten vom 
Busche begrenzt und daher meist schattig. Häufg 
wird er von kristallklaren Bergbächen unter- 
brochen. Bald sahen wir unseren Marsch durch 
einen breiteren Fluß gehemmt, dessen Brücke bei 
dem letzten starken Regen zur Hälfte weggerissen 
war. Da weder Boot noch Kanoe zur Stelle 
war, so erübrigte nur, den Fluß zu durchwaten. 
Das einzige unangenehme Gefühl hierbei ist, daß 
all die größeren Flußläufe hier mit Krokodilen 
bevölkert sind. Doch bekamen wir weder hier 
noch später eines zu sehen. . 
Die Vegetation ist wundervoll. Der Weg 
wird umsäumt von schlanken Bäumen, die hin 
und wieder von der Würgfeige umklammert sind. 
Mit Hunderten von pfahlwurzelgleichen Stämmen 
wächst sie aus dem Boden heraus und umstrickt 
ihr Opfer so, daß man einen mit tausend Wurzeln 
aus dem Boden ragenden Baum vor sich zu 
haben glaubt. Wir marschieren an der (durch 
Erguß eines Lavastromes ins Meer entstandenen) 
Insel Bava-Reboin vorbei, überschreiten, teil- 
weise schwimmend, die Mündung des Aropaflusses 
und gelangen in das an seinem rechten Ufer ge- 
legene Dorf Reboin. Seine Bewohnerschaft, 
ein Bergvolk, hat sich hier infolge der Gründung 
der Regierungsstation vor kurzem angesiedelt. 
Früher konnten diese Leute kaum wagen, von 
ihren Bergen herab an die Küste zu kommen, 
ohne fürchten zu müssen, von den Uferbewohnern 
erschlagen zu werden. 
Von Reboin begaben wir uns an dem rechten 
Ufer des Aropa entlang landeinwärts, um das 
Land auf seine Tauglichkeit zu Pflanzungszwecken, 
insbesondere zur Kautschukkultur, zu untersuchen. 
  
Die tiefeingeschnittenen festen Flußufer lassen die 
Formation des Bodens erkennen, eines Bodens, 
der für Gummikultur als geradezu ideal be- 
zeichnet werden muß. Der Busch ist nicht allzu 
dicht; die Ebene selbst dürfte einen Flächeninhalt 
von 6000 bis 8000 ha umfassen. Sie ist von 
steilaufsteigenden Bergen umgeben. Günstig sind 
auch die Niederschläge, wie die bisherigen Be- 
obachtungen der Station Kieta zeigen. 
Der in ebenem Gelände längs des Strandes 
führende Weg bringt uns an den Fluß Ziar, 
an dessen südlicher Seite sich ein bis zu 50 m 
ansteigender Hügel erhebt: ein von der Natur 
geschaffener Platz für die Zentralanlage eines 
Pflanzungsunternehmens! Nachdem auch der Ziar 
durch Schwimmen überwunden ist, überschreiten 
wir noch den kristallklaren Tavatava und begeben 
uns dann an Bord des „Seestern“, der mittler- 
weile von Toberei hierher gedampft war. 
Staunenswert sind die Wegebauten. Mit den 
geringfügigen Mitteln, die der Station zur Ver- 
fügung standen, hat es der Stationsleiter ver- 
standen, durch Heranziehung der Eingeborenen, 
besonders der Bergbewohner, die noch vor wenigen 
Monden Kannibalen waren und als absolut un- 
zugänglich galten, trotz der größten Gelände- 
schwierigkeiten einen schon fast durchweg bequem 
reitbaren Weg bis zum Ziar herzustellen. 
Um Mittag setzte der „Seestern“ hart unter 
Land die Fahrt fort. Zahlreiche Buschfeuer ließen 
auf eine starke Bevölkerung schließen. Bald 
ankerten wir in Buin, einer Zweigstation der 
in Kieta ansässigen Maristenmission. Interessant 
war die Fahrt durch jetzt englisches Gebiet ge- 
wesen, nachdem wir Kap Freundschaft umfahren 
hatten. Zahlreiche kegelförmige und mit dichtem 
Busch bewachsene Eilande zogen an unseren Augen 
vorbei; in der Ferne sahen wir Choiseuls lang- 
gestreckte Küste und die Shortlandsinseln — alles 
ehemals deutsches Gebiet, das wir gegen Samoa 
eingetauscht haben. 
In Buin begrüßten uns die beiden Patres 
und der Bruder. Kurze Zeit vorher war die 
Missionsstation gezwungen gewesen, wegen der 
feindseligen Haltung der Eingeborenen den Schutz 
der Regierung anzurufen. Die Ruhe war nun- 
mehr, insbesondere durch das rasche Eingreifen 
des Stationschefs von Kieta soweit wieder her- 
gestellt, daß die Mission auf weiteren Polizeischutz 
verzichten zu können glaubte. 
Am nächsten Morgen traten wir mit den 
Eingeborenen in regen Tauschverkehr. Sie brachten 
Speere, Pfeile und Bogen, die sie gerne gegen 
weiße Steingutarmringe abließen. Abends traf 
der „Seestern“ wieder im Hafen von Kieta ein. 
Am 21. Juli früh marschierten wir von der 
Landungsmole ab. Der Weg, der zuerst in
	        
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