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Nachdem der Gouverneur die Meldung des
Stationschefs entgegengenommen hatte, begaben
wir uns an Land. Ich schloß mich dem mit uns
reisenden Ethnologen zu einem Ausflug nach der
Insel Popoko an. Wir landeten mit unserem
Boot an einem hart an der Küste gelegenen
Dorfe, von dessen Einwohnern wir freundlich
empfangen wurden. Die Häuser stehen fast durch-
weg auf etwa 2 m hohen Pfählen und sind auf
der Vorderseite mit einer kleinen Veranda ver-
sehen, von der aus die Weiber — ihre Männer
waren fast alle am Wegebau auf Bougainville
beschäftigt — unserm Tun zuschauten. Mein Be-
gleiter fand hier infolge des freundlichen Ent-
gegenkommens der Eingeborenen für seine Studien
reichen Ertrag. Erwähnt sei die kunst= und ge-
schmackvolle Art, wie die Wände der Häuser ge-
flochten waren. Das Dorf selbst ist ziemlich
groß. Unmittelbar dahinter erheben sich steil
anstrebende, schwer zugängliche Höhen.
Am 18. Juli dampfte der „Seestern“ nach
Toberei. Der die Küste entlang führende Weg
ist breit ausgeschlagen, zu beiden Seiten vom
Busche begrenzt und daher meist schattig. Häufg
wird er von kristallklaren Bergbächen unter-
brochen. Bald sahen wir unseren Marsch durch
einen breiteren Fluß gehemmt, dessen Brücke bei
dem letzten starken Regen zur Hälfte weggerissen
war. Da weder Boot noch Kanoe zur Stelle
war, so erübrigte nur, den Fluß zu durchwaten.
Das einzige unangenehme Gefühl hierbei ist, daß
all die größeren Flußläufe hier mit Krokodilen
bevölkert sind. Doch bekamen wir weder hier
noch später eines zu sehen. .
Die Vegetation ist wundervoll. Der Weg
wird umsäumt von schlanken Bäumen, die hin
und wieder von der Würgfeige umklammert sind.
Mit Hunderten von pfahlwurzelgleichen Stämmen
wächst sie aus dem Boden heraus und umstrickt
ihr Opfer so, daß man einen mit tausend Wurzeln
aus dem Boden ragenden Baum vor sich zu
haben glaubt. Wir marschieren an der (durch
Erguß eines Lavastromes ins Meer entstandenen)
Insel Bava-Reboin vorbei, überschreiten, teil-
weise schwimmend, die Mündung des Aropaflusses
und gelangen in das an seinem rechten Ufer ge-
legene Dorf Reboin. Seine Bewohnerschaft,
ein Bergvolk, hat sich hier infolge der Gründung
der Regierungsstation vor kurzem angesiedelt.
Früher konnten diese Leute kaum wagen, von
ihren Bergen herab an die Küste zu kommen,
ohne fürchten zu müssen, von den Uferbewohnern
erschlagen zu werden.
Von Reboin begaben wir uns an dem rechten
Ufer des Aropa entlang landeinwärts, um das
Land auf seine Tauglichkeit zu Pflanzungszwecken,
insbesondere zur Kautschukkultur, zu untersuchen.
Die tiefeingeschnittenen festen Flußufer lassen die
Formation des Bodens erkennen, eines Bodens,
der für Gummikultur als geradezu ideal be-
zeichnet werden muß. Der Busch ist nicht allzu
dicht; die Ebene selbst dürfte einen Flächeninhalt
von 6000 bis 8000 ha umfassen. Sie ist von
steilaufsteigenden Bergen umgeben. Günstig sind
auch die Niederschläge, wie die bisherigen Be-
obachtungen der Station Kieta zeigen.
Der in ebenem Gelände längs des Strandes
führende Weg bringt uns an den Fluß Ziar,
an dessen südlicher Seite sich ein bis zu 50 m
ansteigender Hügel erhebt: ein von der Natur
geschaffener Platz für die Zentralanlage eines
Pflanzungsunternehmens! Nachdem auch der Ziar
durch Schwimmen überwunden ist, überschreiten
wir noch den kristallklaren Tavatava und begeben
uns dann an Bord des „Seestern“, der mittler-
weile von Toberei hierher gedampft war.
Staunenswert sind die Wegebauten. Mit den
geringfügigen Mitteln, die der Station zur Ver-
fügung standen, hat es der Stationsleiter ver-
standen, durch Heranziehung der Eingeborenen,
besonders der Bergbewohner, die noch vor wenigen
Monden Kannibalen waren und als absolut un-
zugänglich galten, trotz der größten Gelände-
schwierigkeiten einen schon fast durchweg bequem
reitbaren Weg bis zum Ziar herzustellen.
Um Mittag setzte der „Seestern“ hart unter
Land die Fahrt fort. Zahlreiche Buschfeuer ließen
auf eine starke Bevölkerung schließen. Bald
ankerten wir in Buin, einer Zweigstation der
in Kieta ansässigen Maristenmission. Interessant
war die Fahrt durch jetzt englisches Gebiet ge-
wesen, nachdem wir Kap Freundschaft umfahren
hatten. Zahlreiche kegelförmige und mit dichtem
Busch bewachsene Eilande zogen an unseren Augen
vorbei; in der Ferne sahen wir Choiseuls lang-
gestreckte Küste und die Shortlandsinseln — alles
ehemals deutsches Gebiet, das wir gegen Samoa
eingetauscht haben.
In Buin begrüßten uns die beiden Patres
und der Bruder. Kurze Zeit vorher war die
Missionsstation gezwungen gewesen, wegen der
feindseligen Haltung der Eingeborenen den Schutz
der Regierung anzurufen. Die Ruhe war nun-
mehr, insbesondere durch das rasche Eingreifen
des Stationschefs von Kieta soweit wieder her-
gestellt, daß die Mission auf weiteren Polizeischutz
verzichten zu können glaubte.
Am nächsten Morgen traten wir mit den
Eingeborenen in regen Tauschverkehr. Sie brachten
Speere, Pfeile und Bogen, die sie gerne gegen
weiße Steingutarmringe abließen. Abends traf
der „Seestern“ wieder im Hafen von Kieta ein.
Am 21. Juli früh marschierten wir von der
Landungsmole ab. Der Weg, der zuerst in