Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Der dritte Abschnitt hat die innere Ent- 
wicklung der Kolonialpolitik Deutschlands 
und der fremden Nationen zum Gegenstande, 
und zwar wird diese nach der aktiven und nach 
der passiven Seite behandelt. Auf der aktiven 
Seite, d. h. auf Seiten der kolonisierenden Fak- 
toren, unterscheidel der Verfasser die Kolonisation 
durch privilegierte Privatunternehmungen und die 
durch den Staat. Er zeigt, welche Rolle die 
Kolonialgesellschaften in der deutschen Kolonial= 
geschichte und derjenigen anderer Nationen gespielt 
haben, und erörtert die Bedenken gegen das 
System der mit Hoheitsrechten ausgestatteten Pri- 
vatgesellschaften. Diese hätten denn auch dahin 
geführt, daß das Reich jetzt überall selbst in seinen 
überseeischen Besitzungen die staatliche Hoheit aus- 
übe, welche sich damit aus „Schutzgebieten“ zu 
wirklichen Kolonien entwickelt hätten. Eine ähn- 
liche Entwicklung habe sich sowohl in den deutschen 
wie in den fremden Kolonien auf der passiven 
Seite, nämlich im Verhältnis der kolonisierenden 
Macht zu der Eingeborenen-Bevölkerung vollzogen. 
Auch den letzteren gegenüber habe sich in den 
deutschen Kolonialgebieten mit dem Fortfall der 
„Schutzverträge“ die Schutzgewalt zur vollen 
Staatsgewalt ausgestaltet. Der Verfasser behan- 
delt sodann unter Ausblicken auf die Verhältnisse 
in den fremden Kolonien die wichtigsten Probleme 
der Eingeborenenpolitik, insbesondere das Gerichts- 
wesen — wobei die Frage der Kodifikkation des 
Eingeborenenrechts berührt und die gegen eine 
solche sprechenden Bedenken hervorgehoben werden 
— die Regelung des Arbeitsverhältnisses und die 
Sklavenfrage. Das Ergebnis der geschichtlichen 
Entwicklung faßt er dahin zusammen, daß die 
scheinbar so entgegengesetzten Prinzipien der Hu- 
manität auf der einen Seite und der Betonung 
der Interessen des „Herrenvolkes“ auf der andern 
Seite im Grunde keine unüberbrückbaren Gegen- 
sätze bilden. Die Hebung der Eingeborenen sei 
nicht nur Grundsatz der Humanität, sondern auch 
einer gesunden kolonialen Realpolitik. Nur mit 
einer als Produzenten wie als Konsumenten kräf- 
tigen Eingeborenen-Bevölkerung könne auf die 
Dauer eine erfolgreiche Kolonialpolitik betrieben 
werden. 
Der vierte Abschnitt ist der Organisation 
der Verwaltung (Zivil= und Militärver- 
waltung) sowie der Rechtspflege in den 
Kolonien gewidmet. Nach einem überblick über 
den gegenwärtigen Rechtszustand werden die Auf- 
gaben erörtert, welche bei dem ferneren Ausbau 
des Kolonialrechts zu lösen sind. Als wichtigste 
Forderung bezeichnet der Verfasser die endgültige 
Loslösung des Kolonialrechts vom Konsularrecht 
und die Schaffung eines selbständigen, in sich ge- 
schlossenen und den besonderen Bedürfnissen der 
  
Schutzgebiete angepaßten deutschen Kolonialrechts. 
Weiter wird unter Hinweisungen auf das eng- 
lische, französische und holländische Kolonialsystem 
die Frage der kolonialen Selbstverwaltung be- 
handelt, zu welcher sich auch in den deutschen 
Kolonien bereits Ansätze finden. Im Anschluß 
daran wird das finanzielle Verhältnis zwischen 
Mutterland und Kolonien erörtert. Hierbei wird 
der gegenwärtige Stand des deutschen kolonialen 
Staatshaushalts dargestellt und zum Vergleiche 
werden einige wichtige Daten über die englischen, 
französischen, holländischen, spanischen und portu- 
giesischen Kolonialfinanzen mitgeteilt. 
Der fünfte und letzte Abschnitt beschäftigt sich 
mit den Aufgaben der kolonialen Wirt- 
schaftspolitik. Als wichtigste wird die Förderung 
der kolonialen Produktion vorangestellt, auf deren 
große Bedeutung für das Mutterland hingewiesen 
wird. Dazu bedarf es der Heranziehung des 
Kapitals, insbesondere des Privatkapitals. Es 
werden nun die Möglichkeiten erörtert, welche sich 
für dessen Organisation darbieten (Form der 
Kolonialgesellschaft, der Aktiengesellschaft usw.). 
Weiter wird das koloniale Handels= und Verkehrs- 
wesen, einschl. des Geld= und Bankwesens be- 
handelt. Der Verfasser hebt dabei namentlich 
hervor, wie überaus dringend der Ausbau des 
Bahnnetzes für die deutsch-afrikanischen Schutz- 
gebiete sei. Endlich folgt eine Darstellung der 
kolonialen Bodenpolitik, welche der Verfasser als 
das zentrale Problem aller Kolonialpolitik be- 
zeichnet. Nach einer Betrachtung der Boden- 
politik der fremden Kolonialmächte erörtert der 
Verfasser die Landfrage, wie sie sich für die 
einzelnen deutschen Schutzgebiete, insbesondere 
unter Berücksichtigung der den großen Gesell- 
schaften erteilten Landkonzessionen, gestaltet. Der 
Verfasser geht dabei des näheren auf die eigen- 
artige Lösung ein, welche jene Frage in der 
Landordnung für Kiautschon gefunden hat.Die 
Grundsätze der letzteren sind freilich, was der 
Verfasser ausdrücklich anerkennt, auf Gebiete der 
Urproduktion, wie sie die anderen Schutzgebiete 
darstellen, nicht ohne weiteres übertragbar. Aber 
auch für die letzteren fordert er eine weitblickende 
Bodenpolitik. Einige zusammenfassende Leitsätze 
über die künftigen Aufgaben der kolonialen Land- 
politik, in welchen u. a. betont wird, daß das 
System der Landkonzessionen mehr und mehr 
aufgegeben werden und der Staat selbst die Be- 
siedelung seiner überseeischen Besitzungen in die 
Hand nehmen müsse, bilden den Abschluß des 
Buches. 
Wie der Verfasser in der Vorrede bemerkt, 
soll sein Werk in erster Linie der Einführung in 
die Kolonialpolitik durch Darbietung einer knapp 
zusammenfassenden Bearbeitung der Gesamtheit
	        
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