Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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in seiner Nähe — wegen starken Dunstes nur 
dreimal vergönnt gewesen war. 
Der Marsch führte in kleineren Etappen über 
wellenförmiges Terrain durch verbrannte Matete 
(Elefantengras) und später durch ausgedehnte 
Bananenpflanzungen, die viele Elefanten beher- 
bergten, bis an den Fuß des gewaltigen Gebirgs- 
stockes, wo der Weg sich im enorm hohen Ma- 
tetegras verlor, so daß er erst durch Askaris 
ausgeschlagen und für die nachfolgenden Lasten 
passierbar gemacht werden mußte. 
Die spärlich vertretene Bevölkerung zeigt hier 
noch große Scheu vor dem Europäer; wir be- 
kamen keinen Führer, alle Hütten standen ver- 
lassen. Endlich gelang es uns, einen Mann, der 
sich durch unser plötzliches Erscheinen hatte über- 
raschen lassen, als Führer zu dingen, nachdem 
wir ihn durch gütliches Zureden und kleine Ge- 
schenke von unseren friedlichen Absichten überzeugt 
hatten. Ein steiler, kurzer Anstieg, wiederum 
durch das hohe Gras, brachte uns auf 1500 m 
Höhe, wo an einer Quelle gelagert wurde. 
Da es die Aufgabe der beiden Herren Doktoren 
(Schubotz und Mildbread) war, den Westhang des 
Ruwensori in möglichst hohe Regionen hinauf 
floristisch und faunistisch zu untersuchen bzw. zu 
den Stuhlmannschen Sammlungen Ergänzungs- 
material zu schaffen, so richteten sie weirer ober- 
halb ein Standlager ein. Leutnant v. Wiese, 
Vériter und ich zogen weiter nordwärts, um 
Fühlung mit der kongolesisch-englischen Grenz- 
kommission zu bekommen, die zwecks Festlegung 
des 30. Meridians in Kiagodé, zwei Stunden 
nordwestlich von Mboga und am Semliki in 
Standlagern arbeitete. 
Der Weg führt hart am Fuße des Ruwensori 
entlang und war unglaublich schlecht. Die ersten 
Tage war er ständig durch 5 bis 7 m hohes Ma- 
tetegras überwuchert, das keinen Lufthauch durch- 
ließ, so daß eine entsetzliche Temperatur in diesen 
„Mauern“ herrschte, durch welche wiederum Schritt 
vor Schritt mit den langen Buschmessern der Pfad 
geschlagen werden mußte. 
Am dritten Tage wurde wieder die Waldzone 
berührt, die uns auch fernerhin bis hinter den 
Semliki nicht mehr verließ. Es war ein rechter 
Unglückstag. Nachdem wir zunächst einen außer- 
ordentlich steilen Anstieg — wie sich bald heraus- 
stellte, gänzlich unnötigerweise — mit größter 
Anstrengung hinaufgekrochen waren, hatte ich beim 
Abstieg das Unglück, daß meine rechte Hand von 
einem Ubereifrigen für eine Liane angesehen wurde. 
Er ließ darauf einen wohlgezielten Axthieb her- 
untersausen, so daß ich mit dem Arm in der 
Binde für die nächsten vierzehn Tage zu völliger 
Tatenlosigkeit verurteilt wurde. Leutnant Vériter 
stürzte gleich darauf in eine überdeckte Elefanten- 
  
grube und verletzte sich an der Schulter, worauf 
die mit Mühe angeworbenen Führer (schuldbewußt 
ob verbotener Fallenanlage) auf Nimmerwieder- 
sehen im Busch verschwanden. So suchten wir 
uns aufs Geratewohl einen Weg — den richtigen 
hatten wir verlassen und noch nicht wiedergefunden 
— bis zu einem in der Nähe herabstürzenden 
Wicdbocl. an dessen kühlendem Wasser im Schatten 
der Urwaldbäume ein hübscher Platz für die Zelte 
geschlagen wurde. Patrouillen fanden dann den 
richtigen Pfad. 
Ein Nachtmarsch bei schönstem Vollmondschein 
brachte uns dann endlich am siebenten Tage nach 
Spenge am Semliki, der hier in schöner 
Waldszenerie in ansehnlicher Breite und Schnellig- 
keit vorübergleitet. Der Semliki ist auch hier 
sehr fischreich. 
Die Temperaturen fingen an, drückend zu 
werden und steigerten sich hier auf 55 Grad 
Celsius, während sie des Abends selten unter 
28 Grad Celsius fielen. Die ständig erwartete 
große Regenzeit setzte noch immer nicht ein. Mit 
Ausnahme eines starken Regenkäges am Ruwen- 
sori konnten nur einige ganz unbedeutende kleine 
Schauer registriert werden. 
Am 19. Februar wurde Mboga erreicht. 
Dieser Platz liegt im neutralen Gebiet und an 
der großen Route Irumu— Fort Portal—Entebbe; 
er ist somit für Elfenbein= und Kautschukhandel 
(erlaubten und unerlaubten) wie geschaffen. Eine 
Anzahl Inder verkaufen in geräumigen Läden 
allerhand Gegenstände, die bei der Nähe der 
beiden Grenzkommissionslager auch lebhaft umge- 
setzt werden, aber in Wahrheit nur Aushänge- 
schilder für den Handel mit der erwähnten loh- 
nenderen Ware find, der denn auch ganz offen 
und mit bedeutenden Einkünften betrieben wird. 
Zwei Stunden nordwestlich liegt, wie erwähnt, 
das belgische Hauptlager der Kommission auf dem 
Berge Kiagodé, bei der Residenz des jungen 
Sultans Tabaru, der uns eine Strecke Weges 
mit seinem Gefolge entgegenkam. Nach einem 
erquickenden Ritt durch den taufrischen Morgen 
konnten wir im hübsch aus Matete-Häusern und 
ebensolchen Banda errichteten Lager den liebens- 
würdigen belgischen Offizieren die Hände schütteln. 
Der Kommandant Bastien, den eine Dienstreise 
zu seinen englischen Kollegen an den Semliki ge- 
führt hatte, traf ebenfalls bald darauf ein. 
Die Arbeiten der Kommission, die endgültige 
Festlegung des 30. Längengrades als Grenze 
zwischen dem kongolesischen und englischen Gebiet, 
sind in der Hauptsache nunmehr beendet, so daß 
die Herren Ende März ihrer Abberufung ent- 
gegensehen, während die genaue Ausmessung einem 
auf dem Wege hierher befindlichen Astronomen 
übertragen worden ist.
	        
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