Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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auf glühenden Steinen. Gemüse kocht man in 
der Weise gar, daß man Blätter in Holzschüsseln 
legt, Wasser darüber schüttet und dieses durch 
heiße Steine bis zum Brodeln erhitzt. 
Von Eisenwerkzeugen haben Messer und Axt 
Eingang gefunden, nur vereinzelt fanden sich 
noch Artklingen aus Stein, oder Muschel= und 
Steinwerkzeuge zum Herstellen der Muschelarm- 
ringe. Die Waffen, Speer und Keule, werden 
durch Tauschhandel von den Bergstämmen er- 
worben. 
Die meisten Weiber und Männer tragen schon 
europäische Lendentücher. Früher gingen die 
Männer völlig nackt, und die Weiber trugen an 
einer Lendenschnur vorn und hinten einen kleinen 
Schurz aus wohlriechenden und gefärbten Blättern. 
Die schönsten Schmuckstücke sind massive Muschel- 
armringe, die bis in die Berge hinein verbreitet 
sind, aber wahrscheinlich aus Tanga stammen. 
Eine ethnographische Sammlung, die ein voll- 
ständiges Bild von dem stark in der Auflösung 
  
begriffenen materiellen Kulturbesitze der Landschaft 
Muliama liefert, geht mit der nächsten Schiffs- 
gelegenheit an das Königliche Museum für Völker- 
kunde in Berlin ab. 
Marinestabsarzt Dr. Stephan beschäftigte sich 
vor allem mit dem Studium der Sprache, über 
die noch keine Aufzeichnungen vorliegen. Der 
Verkehr mit den Eingeborenen kann zum großen 
Teil schon in der Landessprache erfolgen, und es 
gelang bereits, interessante Beobachtungen über 
Familie, Heiratsklassen, Recht, Geheimbünde, 
Geisterglauben und über das Denken und Fühlen 
der Eingeborenen zu machen. An eine Volks- 
zählung wurden soziologische und rassenbiologische 
Untersuchungen angeschlossen und darüber ein Be- 
richt an den Gouverneur erstattet. Die meteoro- 
logischen Beobachtungen wurden fortgesetzt, und 
vielfach wurde ärztliche Hilfe geleistet. 
Von Herrn Walden, der im Norden von 
Neu-Mecklenburg arbeitet, ist noch kein Bericht 
eingegangen. 
  
Kolonialwirtschaftliche Mitteilungen. 
Deutsch-kolonlale Baumwoll-Unternehmungen.“) 
Dem soeben erschienenen Frühjahrsbericht 
des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees 
(Bericht X) über die deutsch-kolonialen Baum- 
woll-Unternehmungen entnehmen wir folgende 
Einzelheiten: 
Die Berichtsperiode setzt ein mit dem Pflanzer- 
und Spinner-Kongreß in Atlanta, Ga., auf 
welchem das weitaus überwiegende Pflanzerelement 
der Südstaaten den zahlreich erschienenen In- 
dustriellen aus ihrem eigenen Lande und aus 
Europa auseinandersetzte, daß ihre Staaten sich 
bewußt wären, ein absolutes Monopol in Roh- 
baumwolle zu besitzen, und daß fsie entschlossen 
seien, auf Grund dieses Monopols die kon- 
sumierende Welt zu zwingen, einen Preis für 
Baumwolle zu zahlen, der ihnen und nur ihnen 
passe! Man verlangte zunächst 15 Cents per 
Pfund, und fügte hinzu, daß, wenn die Industrie 
ihnen diesen Preis nicht schlank bewillige, man 
denselben später mit Wucherzinsen einzutreiben 
wissen würde. 
Und das alles wurde seitens eines kurz- 
sichtigen, rabiaten Elements den Vertretern einer 
der bedeutendsten und der für die Menschen 
nahezu wichtigsten Industrie, der Baumwoll- 
industrie, geboten zu einer Zeit, in welcher auf 
vt Vol. „Deutsches Kol. Bl.“ 1907, Seite 1100 ff. 
  
der einen Seite wieder eine große Baumwollernte 
in den Vereinigten Staaten auf die letztjährige 
von 13½ Millionen Ballen zu folgen schien, und 
in welcher auf der anderen Seite Anzeichen sich 
fühlbar machten, daß die wirtschaftliche Hoch- 
konjunktur auf der ganzen Erde nicht allein ihr 
Ende erreicht hatte, sondern sogar ein rapider 
Rückgang zu erwarten war. Letztere Anzeichen 
verstärkten sich von Woche zu Woche und führten 
bereits gegen Ende des Monats Oktober zu einer 
schweren Finanzkrisis in Amerika, welche sich sturm- 
artig über die ganze Erde verbreitete und an 
Stelle wirtschaftlichen Gedeihens eine Depression 
treten ließ, welche alle Verhältnisse auf das un- 
günstigste beeinflußte und den Baumwollmarkt 
bis gegen Schluß der Berichtsperiode ganz und 
gar beherrschte. 
Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Nieder- 
gange ging nun eine Berschlechterung der Aus- 
sichten der Baumwollernte nicht allein in Ameriko, 
sondern auch in den übrigen Produktionsländern, 
Indien und Agypten; während man im Oktober 
noch mit einem Ertrage von über 13 Millionen 
Ballen amerikanischer Baumwolle rechnen zu 
dürfen geglaubt hatte, gingen diese Erwartungen 
immer weiter hinunter bis auf etwa 11½ 
Millionen Ballen, welche Ziffer dem wirklichen 
Ertrage nahe kommen dürfte. Während nun dem 
Weltkonsum gegenüber, welcher im verflossenen 
Jahre über 13 Millionen Ballen amerikanischer
	        
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