Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

607 20 
an die Kolonien und die Zentralisation der 
Kolonialverwaltung in sich. 
Auf dem Gebiete des Finanzwesens wurde 
in dieser Richtung ein großer Schritt gemacht 
durch das Finanzgesetz vom 13. April 1900, 
dessen Artikel 33 festlegte, daß die Kolonien in 
Zukunft für ihre eigenen Zivilausgaben und ihre 
Polizeitruppen zu sorgen hätten, wobei der Staat 
ihnen eine Subvention gewährte, falls ihre 
eigenen Einnahmen zur Deckung dieser Ausgaben 
nicht ausreichten. Der Staat soll fernerhin die 
militärischen Ausgaben für ihre Verteidigung auf 
sich nehmen, sich dieselben jedoch durch Kon- 
tributionen, welche die Kolonien zu zahlen haben, 
zurückerstatten lassen. Diese Kontributionen sollen 
indes die Höhe der militärischen Ausgaben nicht 
überschreiten. 
Die Ausgaben für die Kolonialarmee bleiben 
somit absolut zentralisiert. Die gesamte Ver- 
waltung derselben verbleibt in den Händen des 
Kriegsministeriums und des Kolonialministeriums, 
sowohl was die allgemeine Leitung als auch 
was die Einzelheiten der Ausführung angeht. 
Die Kredite für die Unterhaltung der Kolonial= 
armee werden in Paris genehmigt und nur durch 
den Kolonialminister kontrolliert. Das Budget 
der Kolonialtruppen ist in dieser Hinsicht identisch 
mit den Budgets der anderen Regierungs- 
departements und wird durch das Prinzip der 
Zentralisation geleitet, welches das französische 
Finanzsystem im allgemeinen charakterisiert. 
Bei den Zivilausgaben liegen die Verhältnisse 
ganz anders. Die einzigen Posten der Zivil- 
ausgaben für die Kolonien, welche augenblicklich 
direkt vom Staat getragen werden, sind die- 
jenigen, die ihrem Wesen nach zur Zentralver- 
waltung gehören. (Der Staat nimmt auch ge- 
wisse Ausgaben auf sich, die mit der Ermunterung 
von Arbeiten der öffentlichen oder Privatinitiative 
verbunden sind, soweit man von ihnen annehmen 
kann, daß sie die Entwicklung der Kolonien 
fördern). Alle Zivilausgaben, welche in den 
Kolonien gemacht werden, werden in die separaten 
Budgets jeder Kolonie eingestellt; der Staat 
kommt nur zu Hilfe, falls die eigenen Hilfsquellen 
der Kolonien nicht ausreichen, um die Ausgaben 
zu decken. Hier haben wir die Prinzipien der 
Föderation und der Zentralisation, welche früher 
dem französischen System ganz fremd waren. 
Seit der Anwendung des neuen Systems 
sind die den Kolonien gewährten Subventionen 
von Jahr zu Jahr geringer geworden. Gegen- 
wärtig empfangen nur neun Kolonien Sub- 
ventionen, nämlich Martinique, Gouadeloupe, 
Réunion, Neu-Caledonien, Französisch-Indien, 
Französisch-Kongo, Somali, Tahiti, St. Pierre 
und Miquelon. Von den übrigen zahlen drei, 
  
nämlich Indochina, Französisch -Westafrika und 
Madagaskar, Kontributionen an den Staatsschatz: 
die erstere in ganz bedeutender Höhe. 
Die finanziellen Resultate des neuen Systems 
sind also günstig gewesen, und die allmähliche 
Abschaffung der Subvention wird zweifellos ihren 
Fortgang nehmen. 
Mr. Hubert hat in dem Bericht, welchen er 
im Namen der mit der Prüfung der lokalen 
Kolonialbudgets betrauten Kommissionen erstattete, 
unter vollster Anerkennung der mit der Politik 
der Dezentralisation erzielten zufriedenstellenden 
Resultate der Meinung Ausdruck gegeben, daß 
die Art der Anwendung des Systems in einigen 
Punkten zur Kritik herausfordert. Nach seiner 
Meinung sind die Subventionen zu oft nach einer 
Methode der rein arithmetischen Berechnung 
herabgesetzt, und es find Entscheidungen getroffen 
worden, die, da sie nicht auf die besondere Lage 
der einzelnen Kolonien Rücksicht nahmen, will- 
kürlich sein mußten. So erhalten z. B. Fran- 
zösisch-Guyana und die französischen Besitzungen 
in Indien noch immer Zuschüsse vom Mutter- 
lande, obwohl sie dieselben nicht mehr nötig haben, 
während die den armen Kolonien St. Pierre und 
Miquelon sowie Taiti gewährten Subventionen 
reduziert sind. Die von Indochina zu zahlende 
Kontribution ist erhöht worden, obwohl die 
finanzielle Lage dieser Kolonie eher schlechter als 
besser geworden ist, und das von den französischen 
Besitzungen in Westafrika zu zahlende Kontingent 
hat während fünf Jahren keine Anderung er- 
fahren, obwohl man nicht annehmen kann, daß 
die finanzielle Situation dieser Kolonien absolut 
stationär geblieben ist. M. Hubert gibt zu, daß 
das bei der Festsetzung der Subvention und 
Kontribution geübte Verfahren zum Teil durch 
das bestehende System notwendig geworden ist. 
Wie die Dinge jetzt liegen, hat das Parlament 
diese Summen festgesetzt, ehe die Lokalbudgets 
ihm unterbreitet worden sind, so daß das Paxla- 
ment sich über die Lage der verschiedenen Kolo- 
nien in Unkenntnis befindet. 
Ferner prüft M. Hubert die Frage der Kon- 
trolle, die trotz aller Verdienste der Dezentralisation 
nach seiner Meinung in irgend einer Form seitens 
der Zentralgewalt über die lokalen Kolonial= 
verwaltungsbehörden ausgeübt werden sollte. 
Es gibt in den französischen Kolonien drei 
Arten von Versammlungen, die nach ihrer ur- 
sprünglichen Bestimmung eine Kontrolle über die 
Verwaltung ausüben sollten, nämlich 1. die 
Generalräte (Conseils généraux), 2, der Kolonial- 
rat von Cochinchina, 3. die Beiräte (Conseils 
consultatifs). 
1. Sieben Kolonien besitzen Generalräte, und 
zwar drei kraft Gesetzes, nämlich Martinique,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.