Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Guadeloupe und Reunion, vier durch Dekret, 
nämlich Französisch-Guayana, Neu-Caledonien, 
Senegal und die französischen Besitzungen in 
Indien. Der Wahlmodus, nach dem diese Räte 
in den verschiedenen Kolonien gewählt werden, 
voriiert. In den Antillen und in Réunion be- 
steht wie in Frankreich allgemeines Wahlrecht; 
in Französisch-Guayana und Neu-Caledonien hat 
allein die französische Bevölkerung Stimmrecht, 
im Senegal nur die Bewohner von St. Louis, 
Gorée, Dakar und Rufisque. In den franzö- 
sischen Besitzungen in Indien werden zwei Wahl- 
listen aufgestellt, die eine für die französische Be- 
völkerung, die andere für die Eingeborenen. Sie 
enthalten rund 3000 bzw. 270 000 Wähler. Die 
ersteren wählen dreizehn Räte, die letzteren 
fünfzehn. 
Die Funktionen der Generalräte in den 
Kolonien sind fast dieselben wie die der ent- 
sprechenden Behörden in Frankreich, nämlich der 
Departementsräte. Sie greifen nicht in die Lokal- 
verwaltung ein, sondern üben einen überwiegenden 
Einfluß in allen fiskalischen und finanziellen An- 
gelegenheiten aus, besonders was die Ausfstellung 
des Budgets angeht. In fiskalischen Angelegen- 
heiten setzt der Generalrat die Höhe der Steuern 
und die Art ihrer Erhebung fest, jedoch sind 
seine Entscheidungen der Genehmigung durch den 
Staatsrat unterworfen. Die Festsetzung des 
Zolltarifs bleibt in den Händen der Regierung 
des Mutterlandes. 
In den Antillen, Réunion und Französisch- 
Guayana wird das Budget tatsächlich durch die 
Generalräte votiert; im Senegal, den französischen 
Besitzungen in Indien und in Neu-Caledonien 
hat der Gouverneur das Vorschlagsrecht für die 
Ausgaben, und die Generalräte haben das Recht, 
die Kredite zu erhöhen oder Abstriche zu machen. 
Die Vorrechte der Generalräte sind also sehr be- 
trächtlich; ohne ihre Initiative kann keine Steuer 
auferlegt oder abgeändert werden. Keine Aus- 
gabe, mit Ausnahme derjenigen, welche für die 
Ausübung der Souveränität (Verwaltung, Rechts- 
pflege, Polizei, Gendarmerie, Zollwesen) nötig 
sind, kann gemacht werden, solange sie nicht die 
notwendigen Kredite bewilligt haben. 
2. Der Kolonialrat von Cochinchina besteht 
aus sechzehn Mitgliedern. Er setzt mittels Dekrets 
die Art der Steuern und die Art ihrer Erhebung 
sest und hat absolute Gewalt bei der Festsetzung 
der Zolltarife. In bezug auf das Budget hat 
er ähnliche Vorrechte wie die Generalräte, nur 
daß der Kolonialminister in bezug auf die Aus- 
gaben größere beschränkende Rechte besitzt. Die 
Gewalt des Kolonialrats ist also größer als die 
der Generalräte in bezug auf die Besteuerung, 
da er ja auch die oberste Kontrolle über die 
  
Tarife hat; in bezug auf die Ausgaben ist sie 
geringer. 
3. In allen Kolonien, selbst in denjenigen, 
welche Generalräte besitzen, wie auch in Cochin- 
china bestehen noch sog. Beiräte, welche den 
Zweck haben, dem Gouverneur der Kolonie be- 
ratend zur Seite zu stehen. Sie sind zusammen- 
gesettt aus hohen Beamten und Notabeln der 
eingeborenen Bevölkerung. 
Wie oben schon gesagt, sollten die General- 
räte die Aufgabe haben, eine direkte Kontrolle 
über die Verwaltung der Kolonien auszuüben, 
um die Steuerzahler gegen mögliche Aus- 
schreitungen und die schlechte Verwaltung der 
Behörden zu sichern. Dieses Ziel ist indessen 
nicht erreicht worden. Wie die Erfahrung zeigt, 
hat bei den Generalräten von jeher die Tendenz 
bestanden, die Ausgaben zu erhöhen. In der 
Tat befinden sich die Finanzen aller Kolonien 
mit Generalräten, mit Ausnahme von Martinique, 
den französischen Besitzungen in Indien und 
Französisch-Guayana, in einem Zustand, der viel 
zu wünschen übrig läßt. Sie alle, mit Ausnahme 
von Französisch= Guayana, empfangen Staats- 
subventionen, und die Finanzen der Kolonie 
Senegal, welche einen Generalrat hat, geben, 
während alle übrigen Kolonien, welche das 
Generalgouvernement von Französisch-Westafrika 
bilden, sich in einem bemerkenswerten Zustand 
finanzieller Prosperität befinden, Ursache zur Be- 
unruhigung. 
Der Kolonialrat von Cochinchina hat durch- 
aus gut gearbeitet, wobei jedoch zu berücksichtigen 
ist, daß in diesem Lande eine alte Zivilisation 
und eine Bevölkerung mit autochthoner hoher 
Kultur sich vorfindet, Verhältnisse, die in den 
meisten andern französischen Kolonien nicht vor- 
liegen. 
Da die Beiräte allgemein aus Mitgliedern 
zusammengesetzt find, welche mehr oder weniger 
von den Verwaltungsbehörden abhängig find, 
und da sie keine bestimmt abgegrenzten Rechte 
haben, so ist ihre Gewalt nicht sehr groß; es 
muß deshalb eine andere und wirksamere Form 
der Kontrolle gefunden werden. 
Nachdem M. Hubert die Idee der Kontrolle 
durch den Oberrat der Kolonien (Conseil 
supérieur des Colonies) oder durch das Parla- 
ment als ganz unausführbar beiseite gelassen 
hat, gibt er der Meinung Ausdruck, daß die 
Kontrolle der Zentralverwaltung überwiesen werden 
müßte. Nach seiner Meinung sollte die Kontrolle 
durch zwei Körperschaften ausgeübt werden, von 
denen die eine aus Beamten bestehen sollte, die 
in kolonialen Angelegenheiten als Sachverständige 
gelten können und die den einzelnen Detailfragen 
genügend fernstehen, um einen allgemeinen Uber-
	        
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