Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Kolonialwirtschaftliche Oittellungen. 
Der Welthampf um die Baumwolle.“) 
Es soll nunmehr untersucht werden, welche 
Bedeutung der wichtigste der kolonialen Rohstoffe, 
die Baumwolle, für unsere wirtschaftlichen Ver- 
hältnisse, besonders auch für unsere Arbeiterver- 
hältnisse besitzt, und welche Folgeerscheinungen 
sich aus der bisherigen Art der Befriedigung 
unseres Bedarfs an diesem Rohstoff ergeben. 
Die Baumwolle stellt längst nicht mehr wie 
in früheren Zeiten einen Luxusartikel dar, sondern 
ist in allen Kulturländern der unentbehrliche 
Grundstoff für die Gewebeindustrie geworden. 
Baumwollfabrikate sind heute Massenartikel, 
deren alle Bevölkerungskreise bedürfen. 
Wie stark der Baumwollbedarf gerade in 
Deutschland in den letzten 25 Jahren gestiegen 
ist, zeigt die folgende Tabelle über die Einfuhr 
von roher Baumwolle nach Deutschland. Es 
wurden eingeführt: 
  
  
  
  
  
Insgesamt Davon kamen aus 
Ver.St. v. Britisch-- 
Amerika Indien Aggypten 
1000 t Mill. M. (1000 t) (1000 t (1000 t) 
f 
1882. 155,9 179,2 38,7 120 2,4- 
1888 180,1 208.0 54.2 17,3 2,6 
1884 177.6 202.4 38.4 14.9 4.5 
1885 106,8 181,3 48.4 12,1 4 
1836 172,0 170,3 50.2 13,8 400 
1897. 2120 218,4 70.1 15,9 444 
1888 1944 2061 63,9 19.0 88 
1889 214,00 270,90, 35.8 1,0 
1890 250,.6 2806125,1 50,011 0,8 
1891. 259,7 226,.0042 57,6 50,.6 
1892. 24009 187.5.154,5 40,56 12,4 
1893. 247,7 210.5153.7 — 
1894. 277,.38 19171183, 60.5 11,9 
1895 300,9 220.7131,0 46 144 
1896 281.5 226.9) 197.2 5900 15,3 
1897. 302,5 2310 25,8 40,7 20.6 
1898. 357.0 237,.3286.0 42.2 22,5 
1809 330,7 2268,51258.5 13.,6 23.4 
1900. 313.2 318,0 256.2 25,8 25,2 
1901. 332.0 296.2256,3 48,1 24,1 
1902. 348,3 319,707,.0 — 
1903 382,, 395.168, 79,.1 30.9 
1904. 398,1 471081,3 76.6 33.4 
1905 402,9 398.2 8 61,9 7 
1906. 390,2 445.3279.1 69.4 325 
1807. 276.4, 515.4 82483 108,.0 30,4 
Die Einfuhr von Rohbaumwolle hat sich 
demnach in den letzten 25 Jahren sowohl der 
Menge wie dem Werte nach verdreifacht, und 
der Verbrauch von Baumwolle auf den Kopf 
) Aus dem „Reichs- 
.„Rolonialwirtschaftliches“ II. 
i Vgl. „Deutsches Kol. Bl.“ 
543 ff. 
Arbeitsblatt“ (Ma 
1908. Nr. 11, S. 51 
  
der Bevölkerung, der in Deutschland 1840 nur 
0,3 kg betrug, ist bis 1895 auf 5 kg, bis 1900 
auf 6 kg und inzwischen weiter auf fast 7 kg, 
also rund um das Zwanzigfache gestiegen und 
übertrifft den früher vorherrschend gewesenen 
Verbrauch von Schafwolle, der am Anfang des 
vorigen Jahrhunderts den Baumwollverbrauch 
um das Doppelte überstieg, schon um das Mehr- 
fache. 
Die gesteigerte Verarbeitung der Baumwolle 
ist kür die gewerblichen Verhältnisse Deutschlands 
von der weittragendsten Bedeutung geworden. 
Rohbaumwolle steht in unserer Einfuhr mit mehr 
als ½ Milliarde Mk. an erster Stelle und dient 
nicht nur dem heimischen Konsum, dem sie eine 
billige Kleidung sichert, sondern gibt auch als 
Rohmaterial für eine unserer wichtigsten Aus- 
fuhrindustrien einem großen Teil unserer Be- 
völkerung Arbeitsgelegenheit. Baumwoll- 
waren nehmen in unserem Export stets einen 
hervorragenden Platz ein (1907: 488,4 Millio- 
nen Mk. = 6,9 v. H. unserer Gesamtausfuhr im 
Spezialhandel). 
Die deutsche Baumwollindustrie steht heute 
an Ausdehnung hinter Großbritannien und den 
Vereinigten Staaten von Amerika an dritter 
Stelle. Die Zahl der Baumwollspindeln betrug 
Mitte 1907 in der ganzen Welt rund 
123 Millionen; davon entsielen auf Großbri- 
tannien 50,6, auf die Vereinigten Staaten von 
Amerika 26, auf Deutschland 9,3 Millionen. Im 
Jahre 1846 hatte Deutschland dagegen nur 
750 000, im Jahre 1877 erst 4,2, 1891 schon 
6,0, 1898 7,4 und 1901 7,9 Millionen Spin- 
deln aufzuweisen. 
Auf dem ersten „Deutschen Kolonialkongreß"“ 
zu Berlin im Oktober 1902 wurde von sach- 
verständiger Seite die derzeitige Jahrespro- 
duktion der Welt an Baumwolle auf 17 Millionen 
Ballen (zu 500 Pfd.) im Gesamtwert (einschließ- 
lich der Nebenprodukte) von 3,7 Milliarden Mk. 
angegeben. Beim Anbau waren etwa 15 Millio- 
nen Menschen beschäftigt, bei der Verarbeitung 
2,5 Millionen Arbeiter an 3 Millionen Web- 
stühlen und 120 Millionen Spindeln. Das in 
der Baumwollindustrie angelegte Kapital (also 
ohne die Betriebskapitalien) wurde bei Zugrunde- 
legung der mittleren Anlagekosten (einschl. Ge- 
bäude, Motoren usw.) eines Webstuhles mit 
1000 Mk., einer Spindel mit 50 Mk., auf ins- 
gesamt 10 Milliarden Mk. (Spinnerei 6, Weberei 3, 
Nebenbetriebe 1), die Gesamtjahreslohnsumme der 
Baumwollindustriearbeiter (einschl. der Haus- 
industrie) auf 2 Milliarden Mk. veranschlagt. Auf
	        
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