Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Deutsch-MNeuguinea. 
Uber den Talkun auf den Marlanen-Inseln 
KAgrigan und Dagan 
im September v. Is. (ogl. „Kol. Bl.“ 1908 S. 14 
und S. 183) wird vom Bezirksamt Jap weiter 
berichtet: 
Nach Aussagen von Eingeborenen erhob sich 
bereits am 23. September ein heftiger Nordwest- 
sturm, der am nächsten Tage mit seiner ganzen 
zerstörenden Wirkung einsetzte. Ob das Unwetter 
auch andere von den nördlichen Marianen-Inseln 
heimgesucht hat, ist noch nicht bekannt, da es bis 
jetzt an einer Verbindung dorthin fehlte. Die 
Ausläufer des Taifuns wurden auch auf Saipan 
verspürt und man rechnete nach allen Anzeichen 
auf sein Herannahen. 
Adn dem obengenannten Tage herrschte nämlich 
in Saipan bei einem Barometerstande von 
754 mm eine starke nördliche Brise. Gegen 
Abend wurde der Wind heftiger, das Barometer 
fiel langsam. Im Laufe der Nacht artete der 
Wind in Sturm aus. Das Barometer erreichte 
am 24. September seinen niedrigsten Stand mit 
742 mm. Am ganzen Tage wehte ein mächtiger 
Sturm von Westen. Das Meer trat aus und 
zerstörte einen großen Teil der zum Schutze der 
Bootsschuppen angelegten Hafenmauer. In der 
Nacht vom 24. auf den 25. dauerte der Sturm 
mit kleinen Unterbrechungen fort. Von starken 
Regenböen begleitet, hat er übrigens in Saipan 
jonst keinen größeren Schaden angerichtet. 
Die deutsche Marine-Sxpedition 1907.09.“) 
Fünfter Bericht. 
Muliama, Mitte März 1908. 
Herr Walden hielt sich bis Mitte Dezember 
1907 auf der Insel Nusa und auf der Regie- 
rungsstation Käwieng auf und ging dann mit 
dem Lloyddampfer „Langeoog“ nach dem etwa 
100 km südlich gelegenen Orte Fezoa, wo er 
von dem Stationschef für Nord-Neumecklenburg, 
Herrn Boluminski, empfangen und in einem 
Rasthause der Regierung untergebracht wurde. 
Walden begann sofort, Sprachstudien zu betreiben. 
Nord-Neumecklenburg hat schon vor Jahren durch 
seine phantastischen Schnitzereien, Masken und. 
Tänze die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf 
sich gezogen, ohne daß es bisher gelungen wäre, 
in den Sinn dieser Schöpfungen einzudringen. 
Nun gilt es, für die vielen Prunkstücke, die unsere 
*) Aus der „Marine-Rundschau" 1908, Juliheft. 
S. 183 ff., 
Val. auch Deutsches Kolonialblatt- 1909, S 
291 ff., 473ff und 581 ff. 
  
heimischen Museen aus diesem Gebiete besitzen, 
die Erklärungen beizubringen und die Stücke da- 
durch über den Wert von bloßen „Kuriofitäten“ 
hinauszuheben. Es fand sich bereits Gelegenheit, 
eine Anzahl Tänze und eine Leichenverbrennung 
zu beobachten und die Heiratsklassen zu studieren. 
Schnitzereien und Schädelmasken wurden erworben 
und viele Aufzeichnungen über die schon stark in 
der Auflösung begriffene materielle Kultur gemacht. 
Von Marine-Stabsarzt Dr. Stephan und von 
Dr. Schlaginhausen wurde eine Anzahl Nie- 
derlassungen der Rand-Butam (ovgl. 3. Bericht, 
Kol. Bl. 1908, S. 478 ff.) besucht. Sie verdienen 
eigentlich kaum den Namen von „Dörfern“, da 
sie, nur aus drei bis fünf Hütten mit 10 bis 
15 Bewohnern bestehen. Uüberall herrscht äußerste 
Armut. Die niedrigen Hütten sind mit geringer 
Kunst aus Pfählen, Lianen und Blättern gebaut 
und starren von Schmutz. Flache Holzschüsseln, 
Rindenzeug, Steine, Speere, Keulen, Schlitz- 
trommeln, dazu einige Fetzen Baumwollenzeug 
und eiserne Messer sind die einzigen Gerätschaften 
und Werkzeuge. Die Eingeborenen treiben Acker- 
bau, und zwar ebenso wie die Küstenbewohner 
mit Brachwirtschaft. Mit dieser primitiven Wirt- 
schaftssorm hängt es zusammen, daß das Land 
nur wenig Menschen ernährt, daß diese stundenweit 
auseinander wohnen und daß sie wenig seßhaft 
sind. Immerhin kann man bei ihnen doch von 
Ansiedlungen reden, während die Bergbewohner 
der Gazelle = Halbinsel, die Baining, wirkliche 
ackerbautreibende Nomaden sind. Ihre Sprache 
weicht von der Mundart von Muliama ab, zeigt 
keine Verwandtschaft mit der Baininger-Sprache. 
Ihre Musik, von der mehrfach phonographische 
Aufnahmen gemacht wurden, ist dieselbe wie in 
Muliama. Auch eine Verständigung durch 
Trommelsignale ist in beiden Landschaften be- 
kannt. Die Toten werden auf Bäumen der 
Verwesung ausgesetzt. 
In der Landschaft Muliama wurden die 
Beobachtungen über Geheimbünde fortgesetzt. 
Alt und jung versteht sich auf äußerst ver- 
wickelte Schnurspiele, die von einer oder zwei 
Personen ausgeführt und häufig mit Gesang be- 
gleitet werden. Jede einzelne Figur hat ihren 
besonderen Namen. Sogar die Kenntnis von 
Taschenspieler-Kunststücken wurde festgestellt, die 
trotz ihrer Einfachheit verblüsfend wirken. Eine 
Anzahl Gesänge wurden phonographiert und zur 
weiteren Bearbeitung an das Psychologische In- 
stitut der Universität Berlin gesandt. 
Einige möglichst wortgetreue Ubersetzungen 
aus dem Melanesischen mögen dazu dienen, die 
Denkweise der Eingeborenen zu veranschaulichen: 
Schimpfrede einer zornigen Frau. Du 
bist keine Häuptlingsfrau, Du hast kein Muschel-
	        
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