Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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machen, daß sie sehr bald auch harte Arbeit leisten 
lernen und daß man sie dabei auch mit der 
nötigen Strenge anfassen kann, sofern sie gerecht 
und menschenwürdig behandelt, in ihrem Stammes- 
und Familienleben von Arbeitgebern und An- 
gestellten geschont werden und diese es vermeiden, 
sich in entwürdigende und lächerliche Situationen 
den Eingeborenen gegenüber zu begeben. Um 
als höherer Mensch vom Farbigen geachtet zu 
werden, muß der Weiße diesem ein höheres Beispiel 
geben. Daß dies gerade in Siedlungsländern, 
wo eine große Anzahl Weißer aller Klassen, 
Bildungsgrade und „Vergangenheiten“ mit den 
Eingeborenen in nächste Berührung kommen, nicht 
immer der Fall ist, versteht sich von selbst. 
Die Ovambos (bekanntlich der nunmehr ein- 
zige kompakte, zahlreiche Volksstamm auf deutschem 
Gebiet) kommen einstweilen nur in größeren 
Trupps, gewissermaßen als Sachsengänger, aus 
ihrem Lande zur Arbeit und kehren nach bestimmter 
Frist wieder zurück. Nach Weiterführung der 
Bahnbauten im Norden wird es hoffentlich ge- 
lingen, dieses zahlreiche, an sich arbeitskräftige 
Volk auch familien= und zareee zur in- 
dustriellen wie zur Farmarbeit heranzuziehen und 
so vermehrte ständige Arbeitsstämme — ent- 
sprechend der Weiterentwicklung der Besiedlung — 
zu erhalten. 
Eine weitere Grundlage für diese Entwicklung 
bietet aber die Frage nach dem Absatz. 
Um von den Produkten seines Viehs oder 
seiner Scholle zu leben wie früher der Herero 
und in gewissem Grade auch der Bur, 
darum geht der tüchtige deutsche Auswan- 
derer nicht hinaus, darum steckt er weder 
sein Kapital noch seine Lebensarbeit in den 
Boden. Nur die Aussicht des Vorwärtskommens 
kann ihn locken und die ist lediglich auf der Basis 
eines Absatzmarktes und einer Wechselwirtschaft 
gegeben. 
Der innere Martt, d. 5. die dem produzierenden 
Landwirt im 
schaft wurde früher fast ausschließlich von Regierung 
und Schutztruppe gebildet. Inzwischen ist durch 
die Minenentwicklung und die Eisenbahnbauten 
ein auf wirtschaftlichen Füßen stehendes Kon- 
sumententum ins Land gekommen, über dessen 
stetiges Anwachsen ein Zweifel nicht bestehen kann. 
Gleichzeitig hat jedoch in letzter Zeit bekanntlich 
eine starke Verminderung der Schutztruppe statt- 
gefunden, während die ländliche Besiedlung seit 
über Jahresfrist bereits erheblich zugenommen 
hat. Es kann daher nicht wundernehmen, wenn 
der Absatzmarkt im Lande, wenigstens hier und 
da, angenblicklich eine gewisse Sättigung zeigt 
und jedenfalls nicht ausreichend sein würde, um 
den schon im Interesse der dauernden Landes- 
  
  
ruhe erwünschten raschen Weiterfortschritt in der 
Besiedlung während der nächsten Zeit entsprechend 
zu stützen. 
Aus diesem Grund ist die Erzeugung von 
Weltmarktsprodukten für die südwestafrikanische 
Landwirtschaft von ganz fundamentaler Bedeutung. 
Für die Farmer des Südens ist ein solches 
Produkt, wie wir bereits sahen, in der Schaf- 
wolle gegeben. Die schon vor dem Aufstand 
nach Europa gelangten Wollprodukte aus dem 
Schutzgebiet wurden gut bewertet, die unter den 
gleichen Weideverhältnissen in Südafrika gezogene 
Wolle wird jetzt von der Industrie fast der 
australischen gleich und jedenfalls höher als die 
argentinischen Produkte geschätzt. So ist begründete 
Aussicht vorhanden, daß Deutschland wenigstens 
einen Teil des Wollbedarfs seiner Industrie in 
Zukunft aus Südwestafrika wird decken können. 
Wichtig als Ausfuhrgut für den Süden ist außer- 
dem Mohair (Angora). 
Die Farmwirtschaft in der Mitte des Landes 
basiert, wie wir sahen, auf der Rindviehzucht. 
Für ihre Produkte einen Absatz auf dem Welt- 
markt zu schaffen, ist für die weitere Besiedlung 
dieses Landesteiles um so wichtiger, als bereits 
infolge der bisherigen Zunahme der Farm- 
wirtschaften das Angebot von Fleisch usw. ein 
erhebliches Sinken der Preise nach sich gezogen 
hat. Den Versuch, einen Fleisch-, Konserven- 
und Häute-Export nach argentinischem Muster 
anzubahnen, hat in letzter Zeit die Liebig-Kompagnie 
durch Erwerbung eines größerem Farmareals 
gemacht. Ein Nachteil gegenüber Argentinien 
und den übrigen Fleisch-Exportländern besteht 
für Südwestafrika zweifellos darin, daß das Weide- 
gebiet nicht bis zur Küste reicht, sondern von 
dieser durch einen etwa 120 Kilometer breiten 
Wüstenstreifen getreunt ist, daß die Fleisch-Industrie 
daher etwa in der Gegend von Karibib errichtet 
werden und ihre Produkte von hier bis zur Küste 
erst mit der Eisenbahn verfrachten müßte. Die 
hierdurch — im Vergleich zu den Konkurrenz- 
ländern — entstehenden Mehrkosten könnten aber 
ausgeglichen werden einmal durch die billigeren 
Bodenpreise und Arbeitslöhne, zweitens durch die 
ausgezeichnete Qualität der Weide und das Be- 
streben nach sorgfältiger Heranzucht des unter 
den obwaltenden Verhältnissen geeignetsten Vieh- 
schlages. 
Der Absatz für die Rindviehwirtschaft des 
Nordens wird etwa den gleichen Bedingungen 
unterliegen, während Schweine-, Kleinvieh= und 
Geflügelzucht für absehbare Zeit wohl von den 
Anforderungen des inneren Markts abhängig sind. 
Für den Acker= und Gartenbau kommt teils 
der innere Markt, teils der Weltmarkt in Frage.
	        
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