Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Von hier breitete sich die Seuche über das be- 
nachbarte Lama und Ssiu, der Nord-Ostecke von 
Losso und Kodjene, dem Nord-Ostteile von 
Kabure aus. In Ssiu starben von 46 Kranken 
34. Von Lama und Kodjene liegen genauere 
Zahlen nicht vor, dort handelt es sich auch um 
eine verhältnismäßig geringere Ausbreitung, die 
sich in den Grenzen der für die Nachbargebiete 
angegebenen Ziffern bewegen dürfte. Nun, da 
die Krankheit einmal im Lande war, bewirkten 
der durch keine Grenzabsperrungen mehr behinderte 
Verkehr, die Handelsbeziehungen zwischen den 
verschiedenen Volksstämmen eine Weiterverbreitung 
des Krankheitsstoffes fast durch den ganzen Bezirk 
Sokodé und ein Auftreten der Seuche in der 
Trockenzeit 1907/08 an den verschiedensten Stellen. 
Ebenso wie in den beiden Vorjahren setzte 
die Epidemie mit Beginn der Trockenzeit ein und 
verschwand mit Eintreten der ersten Regen. Die 
durch den Harmattan bewirkte äußerste Trocken- 
zeit zeigte sich also auch hier wie bei andern 
Seuchen, z. B. den schwarzen Pocken, als krankheits- 
fördernder Faktor, eine Beobachtung, die ich eben- 
falls der Mitteilung des Regierungsrats Dr. Kersting 
verdanke. Speziell für die Genickstarre, die hier 
mit größter Wahrscheinlichkeit durch denselben Er- 
reger wie die heimische Krankheit verursacht wird, 
hängt diese Tatsache auch noch mit dem Umstande 
zusammen, daß die Trockenheit die Eingangspforte 
der Krankheit, („Nasen- und Rachenschleimhaut"), 
durch Entzündungen und Katarrhe für die Auf- 
nahme des Erregers empfänglicher macht, bzw. 
dem schon vorhandenen Erreger die weiteren 
Wege zu den Hirnhäuten ebnet. Daß neben den 
lokalen Einwirkungen sicherlich nochandere Momente, 
die sich aber vorläufig unserer Kenntnis entziehen, 
mitsprechen, soll nicht in Abrede gestellt werden. 
Der Verlauf der Seuche während der letzten 
Trockenzeit gestaltete sich folgendermaßen: Die 
ersten Einzelfälle traten bereits am Ende der 
Regenzeit Anfang November 1907 auf der Station 
Sokodé unter Steuerarbeitern aus Difale auf. 
Es erkrankten vier Personen an den verdächtigen 
Symptomen; eine starb nach eintägiger Krank- 
heitsdauer, eine wurde gesund, zwei wurden auf 
ihren Wunsch nach der Heimat entlassen, da man 
infolge des frühen Auftretens der Krankheit noch 
während der Regenzeit und der unklaren Symp- 
tome es nicht mit Genickstarre zu tun zu haben 
glaubte. Die nächsten zur Beobachtung kommenden 
Fälle ereigneten sich ebenfalls auf der Station 
Sokodé selbst. Am 28. Dezember 1907 erkrankte 
eine Soldatenfrau mit typischen Symptomen der 
Genickstarre. Daß es sich in der Tat um eine 
eitrige Entzündung der Meningen, d. h. Hirn- 
häute, handelte, wurde durch die Lumbalpunktion, 
d. h. Punktion des Rückenmarkskanals in der 
Gegend der Lendenwirbel, erwiesen. Es ergab 
  
sich dabei eine eitrige Beschaffenheit der Rücken- 
marksflüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung 
dieser Flüssigkeit ergab einen innerhalb der Eiter- 
zellen gelegenen, in Form und Lagerung mit dem 
Erreger der heimischen Genickstarre Überein- 
stimmenden Diplococcus. Die biologische Unter- 
suchung, d. h. der Versuch, den Erreger auf künst- 
lichem Nährboden zu züchten, war ergebnislos. 
Der gleiche Unstern wie bei diesem ersten Falle 
waltete über allen späteren derartigen Unter- 
suchungen. Der schon in der Heimat im wohl- 
eingerichteten Laboratorium schwer zu züchtende 
Meningococcus trotzte allen Bemühungen, ihn zur 
Weiterentwicklung auf künstlichen Nährböden zu 
bringen. Während auch in allen später unter- 
suchten Fällen mikroskopischer Befund, klinische 
Symptome, das epidemische Auftreten, die noch 
später zu erwähnende überwiegende Beteiligung 
des Kindesalters, für die Identität der tropischen 
Genickstarre mit der epidemischen Genickstarre in 
Europa sprechen, fehlt noch das Schlußglied in 
der Beweiskette, die Serumdiagnose. 
Der erste Fall kam nach 13tägiger Krank- 
heitsdauer zur Heilung, ebenso erging es bei 
einem zweiten Falle, während ein dritter nach 
zehnstündiger Krankheitsdauer mit dem Tode 
endete. So weit das Vorkommen der Seuche in 
Sokodé selbst, abgesehen von einem eingeschleppten 
Falle im Songo, der tödlich endete. 
Über das Auftreten der Seuche in anderen 
Teilen des Bezirks kamen zuerst am 3. Februar 
1908 Meldungen nach Sokode. Auf Grund des 
früheren Auftretens der Seuche waren von seiten 
der Bezirksleitung strikte Anweisungen gegeben 
worden, jeden ersten Krankheitsfall unverzüglich 
zu melden. Es wurden seit Beginn der Trocken- 
zeit soweit wie möglich Erkundigungen über den 
etwaigen Ausbruch der Seuche eingezogen. Alle 
diese Bemühungen scheiterten an der Gleich- 
gültigkeit und wohl auch Angst der Eingeborenen 
vor dem Eingreifen des weißen Arztes. 
Anfang Februar kam die Nachricht nach So- 
kodé,W daß die Krankheit im benachbarten Dahomey, 
in Paraku ausgebrochen sei, einem Orte, von 
dem die Straße nach Togo über Tschamba-Passua 
führt. Daß sich in Togo selbst ein großer Krank- 
heitsherd gebildet hatte, wurde kurz darauf durch 
einen von Mangu kommenden Händler berichtet, 
welcher erzählte, daß in dem eine Tagereise nörd- 
lich von Bassari gelegenen Kabu in den ver- 
gangenen zwei Monaten 40 Menschen gestorben 
wären. Bei meiner Ankunft in Kabu stellte ich 
fest, daß 45 Menschen, davon 35 jugendliche 
Individuen, seit Ausbruch der Krankheit (etwa 
Ende November 1907) gestorben und im benach- 
barten Ssara 16 Opfer der Seuche erlegen 
waren. Auf Nachfrage nach Leuten, die die Krank- 
heit überstanden hatten, wurden nur ein Knabe,
	        
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