Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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der noch an den Folgeersch gen, Läh gen der 
unteren Extremitäten, litt, und eine völlig wieder- 
bergestellte Frau vorgeführt; alle übrigen Kranken 
waren gestorben. Daß diese letzten Angaben mit 
Vorsicht aufzufassen waren, lehrten mich meine 
eigenen Erfahrungen. Von 22 von mir beob- 
achteten Fällen starben 8, die übrigen wurden 
wieder völlig gesund. Auch die später von andern 
Orten einlaufenden Meldungen lauteten mit einer 
Ausnahme pessimistisch; jeder Erkrankte wäre ge- 
storben, in einem Ausnahmefall seien dagegen 
vier Kranke sämtlich gesund geworden. Zuver- 
lässig sind in dieser Hinsicht nur die eigenen Be- 
obachtungen. Diese gehen dahin, daß fast zwei 
Drittel die Krankheit überstanden, ein Ausgang, 
der leider weniger auf Kosten der Behandlung als 
auf die natürliche Heilkraft des menschlichen Kör- 
pers fällt. Der Genickstarre stehen wir noch ziemlich 
machtlos gegenüber, namentlich unter den schwie- 
rigen Verhältnissen des Busches, der eine sorg- 
fältige, gerade für diese Krankheit besonders not- 
wendige Krankenpflege fast unmöglich macht. 
Noch in anderer Hinsicht waren die von den 
Bewohnern anderer Ortschaften gemachten An- 
gaben wenig verläßlich, soweit sie nämlich die 
Verteilung der Krankheit auf Erwachsene und 
Kinder betrafen. Von den in Kabu beobachteten 
19 Fällen betrafen 15 jugendliche Individnen 
und nur 4 entfielen auf Erwachsene. Von 45 
vor meiner Ankunft Gestorbenen sollten 35 Kinder 
gewesen sein. Während sich also hier die Genickstarre 
in der Hauptsache als eine Krankheit des Kindes- 
allers erwies, was mit den in Deutschland gemachten 
Erfahrungen übereinstimmt, lauteten die Meldungen 
von anderen Orten ganz gegenteilig, was jeden- 
salls den eigenen Beobachtungen widerspricht. 
—. Wie schon erwähnt, ist der Arzt nicht in der 
Lage, durch die Behandlung einen entscheidenden 
Einfluß auf den Verlauf der Genickstarre aus- 
sznüben. Eine Wendung zum Besseren scheint 
neuerdings mit der Herstellung eines Heilserums 
Platz zu greifen. Auch in Kabu wurden Ver- 
suche mit einem solchen, im Königlichen Institut 
für Infektionskrankheiten zu Berlin nach dem 
Verfahren der Herren Prof. Kolle und Wasser- 
mann hergestellten Serum gemacht, und zwar 
stets in der Verbindung mit der Lumbalpunktion, 
d. h. mit Entfernung einer möglichst großen 
Menge der eitrigen Rückenmarksflüssigkeit. Daneben 
wurden einige Fälle nur mit solchen Punktionen 
behandelt, und einige andere Fälle wurden keiner 
besonderen Behandlung unterzogen. Der Erfolg 
gestaltete sich folgendermaßen: von sechs mit Serum- 
injektion und Lumbalpunktion Behandelten ge- 
sundeten vier, von sechs nur mit Lumbalpunktion 
Behandelten gesundeten gleichfalls vier, von sechs 
gar nicht Behandolten überstanden drei die Krank- 
heit. Ein besonderer Einfluß des Serums zeigte 
  
sich demnach nicht. Doch muß dazu bemerkt 
werden, daß das Fehlen geeigneter Kühlvor- 
richtungen während dreier Monate sehr wohl die 
Wirksamkeit abgeschwächt haben mochte, wie sie 
nach den neuesten Berichten aus der Heimat 
daselbst in vielen Fällen konstatiert werden konnte. 
Allerdings ist die jetzt in Deutschland angewendete 
Dosis die doppelte der von mir nach der älteren 
Anweisung gebrauchten. Als Beweis gegen die Wirk- 
samkeit des Serums könmen die in Kabu gemachten 
Erfahrungen demnach nicht angeführt werden. Als 
Kampfmittel gegen die Meningitis ist die Serum- 
behandlung jedenfalls aber nur durch den Arzt selbst 
anwendbar, bei einem zahlreichen Auftreten der 
Krankheit — an verschiedenen Punkten des Hinter- 
landes zugleich — also praktisch undurchführbar. 
Ist mit der Behandlung kein großer Nutzen 
zu stiften, so ist auf die Vorbeugung ein desto 
größerer Wert zu legen. Der Schutz der Ge- 
sunden muß vorläufig die Hanptsache bleiben. 
In dieser Hinsicht ist durch Belehrung über die 
Art der Verbreitung des Krankheitsstoffes, durch 
Isolierung der Kranken und ihrer Pfleger, die ja 
leicht auf den Außenfarmen der einzelnen 
Ortschaften vorgenommen werden kann, durch 
Sperrung von Märkten und Straßen nach Mög- 
lichkeit alles geschehen. Ein wirksamer Schutz 
gegen eine starke Verbreitung der Seuche liegt 
im Transkaragebiete, wo sie ja bisher verhältnis- 
mäßig am stärksten aufgetreten ist, in der An- 
siedlungsweise der dortigen Eingeborenen in frei- 
stehenden, durchschnittlich auf Bogenschußweite 
voneinander entsernten Gehöften, was einer natür- 
lichen Isolierung gleichkommt. Ein für die Pro- 
phylaxe recht günstiger Umstand ist ferner die 
große Hinfälligkeit des Parasiten außerhalb des 
menschlichen Körpers, die eine umfassende Des- 
infektion, z. B. ein Abbrennen von Hütten oder 
des Hausrats, überflüssig macht. Die Trocken- 
beit ist der größte Feind des Meningococcus. 
Wenn nun gerade die Trockenzeit die Zeit der 
Soeuche ist, so liegt das an der Art der Ülber- 
tragung und deren Erleichterung durch die schon 
erwähnte, durch den Harmattan bedingte Neigung 
zu Nasen= und Rachenkatarrhen. Die Ubertragung 
geschieht nach dem heutigen Stande der Wissenschaft 
mit größter Wahrscheinlichkeit nur von Mensch zu 
Mensch durch die Atemluft, durch die beim Niesenaus 
der Nase herausgestoßenen feinsten Schleimtröpschen, 
oder auch gröbere Ubertragungen des Nason= und 
Nachenschleims. Eine wichtige Rolle bei der Uber- 
tragung spielen die Bazillenträger, d. h. Indi- 
viduen, die, ohne krank gewesen zu soin oder 
später erkranken zu müssen, den Krankheitserreger in 
ihrem Nasen= bzw. Nachenschleim beherbergen und 
somit das Krankheitsgift ungehindert überallhin 
verbreiten können. Zur Beseitigung dieser Gefahr 
benuten wir in der Heimat den ganzen wohl-
	        
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