Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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wirtschaftliche Versorgung des Gebietes im Osten 
wie im Westen, als auch für die mililärische Siche- 
rung nach links wie rechts. Geländeschwierigkeiten 
begegnen dem Bau hier nicht. Dagegen stellt sich 
weiter im Norden ein grosses Hindernis in den 
direkten Weg nach dem Südkopfe der Mittelbahn: 
die Auasberge nebst den gesamten Gebirgsmassiven, 
die im weiten Bogen rings um Mindhuk lagern und 
nur nach Norden nur eine enge Lücke lassen. 
Vorerst ist damit gerechnet worden, daß die 
Anasberge ungefähr im Zuge der Trasse 1) 
durchauert werden müssen. Erwogen sind zwar 
auch noch zwei andere Lösungen: Die Trasse 2. 
die einen weiter östlich, am Nordrande der Anas- 
berge liegenden Paß zur Überschreitung der Ge— 
birgekette benutzt, und die Trasse 3.5“) die, im 
grossen Bogen ausholend und als Flachlandbahn am 
Ostfuße des Berglandes verlaufend, bei Waldau in 
dic bestehende Bahnlinie einmündet. Der Gesamt- 
aufwand läßt sich für alle drei Linien voraussicht- 
lich in derselben Grenze halten, wenn man berück- 
sichtigt, daß bei der Wahl der Linie 3 die Strecke 
Karibib—Windhuk nur zur Hälfte Durchgangslinie 
wird und aus diesem Grunde nur in geringem 
Umfange umgebaut zu werden braucht, wobei auf 
die Einlegung der Kapspur bis auf weiteres zu 
ver zichten sein wird, weil sic für das Stück Waldan 
—Windhuk, das nur noch den Lokalverkehr zu be- 
dienen haben würde, nicht nötig ist, und dann 
zweckmäßig vorläufig auch auf dem Stücke Karibib 
—Waldau nicht eingelegt wird, damit die Windhnker 
Güter nicht zweimal — in Waldau und in Naribib 
— umgeladen werden müssen. 
Ob eine der beiden Wahllinien zur Ausführung 
kommen soll, kann ebenso wie die Wahl sonstiger 
Abweichungen von der Trasse 1 erst auf Grund der 
dem Bau unmittelbar vorhergehenden aueführlichen 
Untersuchungen entschieden werden. Nur wenn diese 
sehr gewichtige Vorteile für andere Lösungen zutage 
fördern, darf daran gedacht werden, von der Linic 1, 
der kür zesten Verbindung der beiden militärisch und 
politisch wichtigen Zemralen des Damara= und des 
Namalandes, Windhuk und Rectmansbvop, wesent- 
lich ab zuweichen.“ 
#enkschrift 
vorgenommenen Ergänzung der Ertundungen ist vor- 
meg zu berichtigen, daß die Trasse 2, die Kappsfarm- 
linic. nicht ungefähr ebenso teuer, sondern reichlich 
drei Millionen Mark teurer wird als die Trasse 1, 
die Arislinic. 
Der Verkehrspolitiker muß damit rechnen, datß 
die Aufnahmefähigkeit Südwestafrikas für Bahnen ge- 
ring bleibt, weil ihnen voraussichtlich von den beiden 
Hauptwirtschafts zweigen der Kolonie, der Landwirt- 
schaft und dem Bergban, die erstere nur geringe Güter- 
mengen und beide nur Massengüter von geringer 
Frachtzahlfähigkeit zuführen werden. Um so wichtiger 
ist die Auswahl der Linien für die großen Schienen= 
wege und zu diesem Zwecke Klarheit über die grund- 
säolichen Fragen der südwestafrikanischen Vertehrs- 
politik. 
Wir dürfen annehmen, 
Auf Grund der seit Abfassung dieser D 
daß in einem entwickelten 
Südwestafrika der Außenverkehr den Binnenverkehr 
und darin der Ülberseeverkehr den interkolonialen 
Festlandsverkehr an Umfang und Bedeutung stets 
übertreffen wird. 
*) Mindbuk—Aris—Kcetmanshoop. 
— 
1*) Windhul —Kappsfarm — Keetmanshvoop. 
**) Waldau—Otjihangwe — Seetmanshoop. 
  
Für den voraussichtlich größeren Teil des Übersce- 
verkehrs, die Ausfuhr, besteht begüglich der Fracht- 
belastung eine strikte Grenge, nämlich der Unterschied 
zwischen Weltmarktpreis einerseits und den Produktions- 
kosten nobst Mindestgewinn anderseits. Je niedriger 
die Frachtkosten gehalten werden können, um so höher 
dürfen die Produktionskosten sein, um so weiter greift 
die Ausfuhrfähigkeit, desto tiefer sinkt z. B. der Mindest- 
gehalt an Metallen, den Erze haben müssen, um die 
Auofuhr zu lohnen, desto mehr wird von einem Erg- 
körper abbauwürdig, von desto gröszerer Danuer ist der 
Betrieb einer Mine und seine Belebung von Handel 
und Wandel. Für die Festlandsausfuhr gilt Ahnliches, 
doch wird sie, wie schon bemerkt, von geringerer Be- 
deutung bleiben. Das letztere trifft auch für den 
Minnenverkehr zu. Dieser kennt zudem keine so strengen 
Grenzen für seine Frachtbelastung, da er gegen den 
Welimarkt nötigenfalls durch Zölle geschützt werden kann. 
Aus dem Gesagten erhellt, daß der ÜUberseeverkehr 
in stärkerem Maße als der Festlandverkehr im all- 
gemeinen und als der Binnenverkehr im besonderen den 
Hauptbahnen des Landes den Weg weisen muß. Als 
selbstverständlich darf dabei gelten, daß in erster Linie 
die eigene Ein= und Ausfuhr als volkswirtschaftlich 
wichtiger, und erst in zweiter Linie die Durchfuhr Be- 
rücksichtigung verdient. Gewissen Staatsnotwendigkeiten 
allerdings, besonders den „Notwendigkeiten militärischer 
und politischer Natur“, hat auch der Überseeverkehr 
nachzustehen. 
Die Hauptbahnen des Landes sollen Sammel- 
kanäle werden, von denen später einmal die Saug- 
kauäle in Gestalt von Zweigbahnen ausgehen sollen. 
Sie sind so zu führen, daß die Gesamtheit der ver- 
mutlichen Transporte ihres Einflußgebietes und dessen 
ihrer Zweigbahnen tunlichst billig wird. Vorüber- 
gehbende Verhältnisse und dadurch bedingte Verschieden- 
heiten im augenblicklichen Wirtschaftsstande können 
dabei nicht den Ausschlag geben. Wo keine natürliche 
wirtschaftliche und namentlich bergbauliche Uberlegenheit 
des einen über den anderen Teil des Gebietes besteht 
und feststeht, wird der Hauptlinie die technisch günftigste 
Führung zwischen den Zwangspunkten zu geben sein, 
eine Führung also, die im Falle der wirtschaftlichen 
Gleichwertigkeit aller Teile des Einflußgebietes der 
eben ausgesprochenen Forderung der tunlichsten Billig- 
keit der Gesamtheit der Trausporte gerecht wird. Ab- 
seits liegende Gebicte sind nicht von der Hauptlinie 
aufzzusuchen, denn deren Umwege sind Umwege für das 
Einflusgebiet aller daran hängenden Seitenlinien, 
sondern durch eine Zweiglinie zu erschließen, damit der 
Nachteil der Abwegigkeit auf die Transporte des ab- 
wegigen Gebictes beschränkt bleibt. 
Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Linien= 
wahl für die Nord-Südbahn ergibt folgendes: 
Militärisch und politisch notwendig ist die unmittel- 
bare Schienenverbindung des Nama= und des Damara= 
landes und im besonderen ihrer beiden politischen und 
militärischen Zentralen im Anschluß und in der Fort- 
setzung der vorhandenen Bahnen. Im Süden wird 
damit Keetmanshoop Zwangspunkt, da es für den 
Vorsftoß der Schienen nach Norden günstig liegt. Am 
Norden würde kein Zweifel sein, daß ebenso Windhul 
einen zwangspunkt bildet, wenn sich nicht südlich vor 
die Hauptstadt die hohe Schranke der Anasberge legte, 
dic co zweiselhaft erscheinen läßt und zur Untersuchung 
darüber zwingt, ob nicht eine Umgehung statt der 
Durchstoßung dieser Schranke vorteilhaft ist. 
So ergab sich die Pflicht, außer der direkten Aris= 
linic noch die Trasse 2, die Kappsfarmlinie und die 
Trasse 3, die Otjihangwe-Linie, zu untersuchen.
	        
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