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schwerer Verluste gelang es den auf dem linken
Flügel vorgehenden Mannschaften des 101. Grena-
dier-Regiments, in die Stadt einzudringen und
den Feind mit dem Bajonett anzugreifen, wäh-
rend auf dem rechten Flügel die Mannschaften
des Nordlancashire-Regiments und die Kashmir-
Rifles (Inder) die Stadt erreichten. Dort sahen
sie sich jedoch einem derart heftigen Feuer aus
den Häusern ausgesetzt, daß sie gezwungen waren,
500 YNards zurückzugehen. Die Stellung der
Deutschen war so stark, und die Verluste
der englischen Truppen waren so schwer,
daß es für zwecklos erachtet wurde, den
Angriff zu erneuern. Die Abteilung wurde
daher wieder eingeschifft und kehrte zum
Ausgangspunkt zurück. Der Gesamtverlust
betrug 795 Mann, darunter 141 euro-
pädische Offiziere und Mannschaften.
Danach haben also die Engländer bei
diesem Versuch, in deutsches Gebiet ein-
zudringen, eine schwere Niederlage er-
litten. Das spricht sich auch in den Erklärungen
aus, die Lord Crewe im englischen Unterhause
am 18. November abgegeben hat, desgleichen in
dem betreffenden Artikel der „Times“ vom
24. November.
Wir möchten noch auf Folgendes hinweisen.
Die Kopfzahl von 795 Mann stellt die Hälfte
von 1 ½ Bataillonen dar. Selbst wenn man die
nach dem ersten Gefecht am 2. November heran-
gezogenen Verstärkungen, über deren Zahl keine
Angaben gemacht werden, berücksichtigt, bleiben
die Verluste schwer. Sie erhöhen sich über die
angegebene Anzahl hinaus wahrscheinlich noch um
die Zahl derjenigen Leute, die mehr oder weniger
verwundet sich dem Rückzug ihrer Truppe anzu-
schließen vermochten.
lliber eine Verfolgung durch die deutschen
Streitkräfte und über ihre Stärke und Zusammen-
setzung sagen die englischen Berichte nichts. An-
zunehmen ist, daß unserseits außer Abteilungen
der aus Eingeborenen bestehenden Schutz= und
Polizeitruppe auch aus wehrpflichtigen Euro-
päern gebildete Streitkräfte zur Stelle waren.
Zieht man die Gesamtstärke der verfügbaren
Snreitkräfte und ihre Verteilung über das ganze
Schutzgebiet in Betracht, so können an der mut-
maßlichen Stelle des Kampfes höchstens 800 Ge-
wehre in Tätigkeit gewesen sein. Auch wir werden
selbstvorständlich Verluste zu beklagen haben, über
die wir aber vorläufig nichts erfahren konnten.
lber den Ort des Ausgangs des englischen
Unternehmens, den Ort der Landung auf deut-
schem Gebiet und den Namen der deutschen Eisen-
bahnstation schweigt sich der englische Bericht aus.
Anicheinend handelt es sich um die an der Küste
liegende Stadt Tanga, den Ausgangspunkt der
Usambarabahn.
Am gleichen Tage, an dem das vorgeschilderte
Gefecht stattfand, kam es nach den „Times“ vom
27. November zu einem kleinen Scharmützel bei
Msima am Tsavo-Fluß, über dessen Verlauf
und Ausgang jedoch nichts mitgeteilt wird.
Größere Bedeutung wird dem Zusammenstoß
am Berge Longido beigelegt, wo am 3. (oder
4.) November ein zweiter, anscheinend ebenfalls
heftiger Kampf zwischen einer deutschen und einer
indischen Truppenabteilung stattfand. (Über das
erste Gefecht am Longido s. o. Tel. Nr. 8 u. 9.)
Der englische Bericht vom 26. November sagt
hierüber folgendes:
Nach verschiedenen Gefechten geringeren Um-
fangs in Ostafrika, die keine Anderung von Be-
deutung brachten, und in denen es den Deutschen
nicht gelang, auf englischem Gebiet Fuß zu fassen,
besetzten wir den „bedeutenden“ Platz Longido
auf deutschem Gebiet. Der Angriff fand am
3. November statt und dauerte den ganzen Tag.
Die indischen Truppen nahmen drei Stellungen,
mußten diese aber am Abend wegen Wasser-
mangels wieder aufgeben und zogen sich auf ihre
Operationsbasis zurück. Einige Tage später
räumten die Deutschen Longido, das dann von
den indischen Truppen besetzt wurde.
Der Bericht gibt die Verluste auf englischer
Seite mit 21, auf deutscher mit 38 Europäern
und 84 farbigen Mannschaften an.
Einen weiteren Bericht über dieses Gefecht
brachten die „Times“ vom 27. November. Danach
begann der Kampf am 4. November bei Tages-
anbruch und dauerte bis abends 7½ Uhr. Die
deutschen Stellungen seien sehr hartnäckig ge-
halten, aber von den englisch--indischen Truppen
mit größter Bravour genommen worden. Auch
der deutsche Gegenangriff sei zurückgeschlagen
worden. Die Engländer hätten an Europäern
10 Tote, 9 Verwundete und 1 Vermißten zu
verzeichnen gehabt; über ihre Verluste an Far-
bigen wird hier nichts berichtet.
Man darf von vornherein annehmen, daß
sich das Gefecht wohl kaum so abgespielt hat,
wie es in den englischen Berichten dargestellt
wird. Auscheinend ist es den indischen Truppen
nicht gelungen, die Stellung der deutschen Ab-
teilung zu nehmen. Sie besetzten sie erst, nach-
dem letztere den Platz aus irgendeinem Grunde
einige Tage später geräumt hatte. Wahrscheinlich
dann, als die Engländer stärkere Kräfte heran-
gezogen hatten. Wassermangel kann nicht der
Grund zum Aufsgeben der angeblich genommenen
Stellung gewesen sein, in der sich der Gegner
noch einige Tage hielt, und die er dann freiwillig
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