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und keine ausreichende Bürgschaft gegenüber einer
anonymen, von keiner Regierungsgewalt gedeckten
Gesellschaft, die über keinerlei Machtmittel zur Auf-
rechterhaltung ihrer Unabhängigkeit verfüge und daher
um so leichter dem ersten Druck nachgeben würde, um
sich ihrer finanziellen Verbindlichkeiten und dieser über
ihre Kräfte gehenden politischen Verantworklichkeit zu
entledigen. Unter diesen Umständen würde die Zusage
der internationalen Gesellschaft, daß die Reichs-
angehörigen in den Territorien der Gesellschaft das
Recht der Niederlassung, des Grunderwerbes und des
freien Handels genießen sollen, eine ausreichende
Rechtssicherheit für unsern Handel in dem von der
Gesellschaft in Besitz genommenen Gebiet nicht ge-
währen. Ohne eine Verständigung der Mächte unter-
einander über die Stellung, welche sie gleichmäßig
der Gesellschoft einräumen wollen, würde auch die
Anecrkennung der Flagge derselben durch cinzelne
Regierungen die hervorgetretenen Bedenken nicht
heben. Die Gebietserwerbungen der Gesellschaft durch
Verträge, deren Inhalt bis auf weiteres nur ihr
erklusive Rechte gäben, schienen die Gründe zu ver-
stärken, die für eine internationale Regelung der
Handelsverhältnisse in dem ganzen Kongogebiet
spiechen. Daß die von verschiedenen Seiten in Vor-
schlag gebrachte Neutralisierung des Kongogebietes
durch Anerkennung der belgischen Sozietät sich er-
reichen und sicherstellen lasse, erschien dem Fürsten
bisher nicht nachweisbar.
Er hielt es auch für erwünscht, über den Ursprung
und das Vorleben des Präsidenten Strauch Näheres
zu erfahren und zu wissen, auf welche Vollmachten
sich seine Gewalten stützten und ob die Verfassung der
Gesellschaft von der Art sei, daß letztere durch Ver-
träge, die Oberst Strauch abschließe, gebunden wäre
und wer oder welches Vermögen schließlich für Ver-
träge hafte, dic mit der Gesellschaft rite abgeschlossen
würden.
Wohl um eine öffentliche Erklärung der Gesellschaft
zu veranlassen, erschien in der Norddeutschen All-
gemeinen Zeitung am 6. Mai 1884 ein Artikel, der
etwas mehr Licht über ihre Verhältnisse verlangte und
heworhob, daß man wohl eine Anzahl Organc der
Gesellschaft, die unter verschiedenen Namen aufträten,
vor sich habe, man sei aber ganz im dunkeln, wer das
in der Gesellschaft steckende Rechtssubjekt sei. Ihre
Statuten seien nicht veröffentlicht, es sei auch nicht
bekannt, ob sie Korporationsrechte besitze. Infolge
eines Irrtums wurde in dem Artikel Oberst Strauch
als Amerikaner angesprochen.
Darauf erschien in der gleichen Zeitung vom
21. Mai 1884, Nr. 235 ein Artikels), der der Redaktion
„von autorisierter belgischer Seite“ zugegangen war,
*) Wörtlich genau die gleichen Ausführungen
erschienen als Interview eines Berichterstatters mit
General Sanford im „New Vork Herald“ vom 25. Juni
1884.
*—
und der damals ziemliches Aufsehen erregte und
hier deshalb im Auszug wiedergegeben soi:
„Die -Norddeutsche Allgemeine Zeitunge wünscht
nähere Auskunft zu haben über die Internationale
Kongo-Gesellschaft. Um diesen Wunsch zu erfüllen,
ist es notwendig, einen kurzen Rückblick zu tun auf das
Jahr 1876, wo in Brüssel ein internationaler Kongreß
zusammentrat, der sich 'die Aufgabe stellte, nach den
Mitteln zu forschen, die erforderlich wären, um die
Zivilisation in das Innere von Afrika einzuführen
und diesen Weltteil zugleich von der Geißel des
Menschenhandels zu befreien. Die Mitglieder des
Kongresses waren der Ansicht, daß dieses Ziel durch
die Anlage von Stationen an den Küsten des Aklan-
tischen und Indischen Ozeans emeicht werden könne,
von denen aus die Zivilisation unter den benachbarten
Negerstämmen zu verbreiten sei. Dieses Programm
ist gegenwärtig ziemlich durchgeführt. Die Reihe der
anzulegenden Stationen ist fast vollzählig, und in einigen
Jahren werden die Küsten der beiden Ozeane durch
dieselben verbunden sein. Nachdem das Werk vollendet,
wird es sich um die wichtige Frage handeln, auf welche
Weise dasselbe zu erhalten ist.
Die Begründer der Stationen, dic sich unter dem
Namen-Internationale Kongo-Gesellschaft zu einem
Verein konstituiert, haben geglaubt, es müßten zunächst
die Stationen mit ihren zugehörigen Gebieten unter-
einander in Verbindung gesetzt werden, um dann
später auf diesem Wege zu einem unabhängigen
Staatswesen zusammenzuwachsen. Zu diesem Zweck
ist die Gesellschaft streng systematisch an das Werk
gegangen.
Die verschiedenen Bevollmächtigten haben sich
durch Spezialverträge, deren Inhalt sich nach den
verschiedenen Lokalitäten richtet, von den einzelnen
Häuptlingen die Sorveränitäts-, politischen und
Privatrechte derselben abtreten lassen.
Man hat behauptet, daß die Kongo-Gesellschaft
sich bemüht habe, von einem europäischen Staat eine
Verfassung zu erlangen. Diese Annahme ist irrtümlich.
Warum sollte die Gesellschoft ihrer eigenen Freiheit
Beschränkung auferlegt haben? Die der Nord-Bornco-
Gesellschaft zugestandene Verfassung engt deren Be-
fugnisse ein und macht pure aus jenem Gebiet eine
englische Kolonie.
Die Gesellschaft, die ihr Recht von den Häuptlingen
zediert erhalten, will, daß diese Abtretung ganz defi-
nitiver und unwandelbarer Natur sei, und daß sie die
politischen und privativen Rechte auf die abgeitetenen
Gebiete, die sie der allgemeinen Betriebsamkeit er-
schließt, unverkürzt in sich schließt.
Der Gebrauch, den die Gesellschaft von den auf sie.
übertragenen Befugnissen macht, ist durch die zu
Washington ausgetauschten Erklärungen offiziell pro-
klamiert worden. Die „Norddeutsche Allgemeine
Zeitung= hat einen Teil dieser Deklarationen ver-
öffentlicht. Aus denselben geht in unzweidentiger