Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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und keine ausreichende Bürgschaft gegenüber einer 
anonymen, von keiner Regierungsgewalt gedeckten 
Gesellschaft, die über keinerlei Machtmittel zur Auf- 
rechterhaltung ihrer Unabhängigkeit verfüge und daher 
um so leichter dem ersten Druck nachgeben würde, um 
sich ihrer finanziellen Verbindlichkeiten und dieser über 
ihre Kräfte gehenden politischen Verantworklichkeit zu 
entledigen. Unter diesen Umständen würde die Zusage 
der internationalen Gesellschaft, daß die Reichs- 
angehörigen in den Territorien der Gesellschaft das 
Recht der Niederlassung, des Grunderwerbes und des 
freien Handels genießen sollen, eine ausreichende 
Rechtssicherheit für unsern Handel in dem von der 
Gesellschaft in Besitz genommenen Gebiet nicht ge- 
währen. Ohne eine Verständigung der Mächte unter- 
einander über die Stellung, welche sie gleichmäßig 
der Gesellschoft einräumen wollen, würde auch die 
Anecrkennung der Flagge derselben durch cinzelne 
Regierungen die hervorgetretenen Bedenken nicht 
heben. Die Gebietserwerbungen der Gesellschaft durch 
Verträge, deren Inhalt bis auf weiteres nur ihr 
erklusive Rechte gäben, schienen die Gründe zu ver- 
stärken, die für eine internationale Regelung der 
Handelsverhältnisse in dem ganzen Kongogebiet 
spiechen. Daß die von verschiedenen Seiten in Vor- 
schlag gebrachte Neutralisierung des Kongogebietes 
durch Anerkennung der belgischen Sozietät sich er- 
reichen und sicherstellen lasse, erschien dem Fürsten 
bisher nicht nachweisbar. 
Er hielt es auch für erwünscht, über den Ursprung 
und das Vorleben des Präsidenten Strauch Näheres 
zu erfahren und zu wissen, auf welche Vollmachten 
sich seine Gewalten stützten und ob die Verfassung der 
Gesellschaft von der Art sei, daß letztere durch Ver- 
träge, die Oberst Strauch abschließe, gebunden wäre 
und wer oder welches Vermögen schließlich für Ver- 
träge hafte, dic mit der Gesellschaft rite abgeschlossen 
würden. 
Wohl um eine öffentliche Erklärung der Gesellschaft 
zu veranlassen, erschien in der Norddeutschen All- 
gemeinen Zeitung am 6. Mai 1884 ein Artikel, der 
etwas mehr Licht über ihre Verhältnisse verlangte und 
heworhob, daß man wohl eine Anzahl Organc der 
Gesellschaft, die unter verschiedenen Namen aufträten, 
vor sich habe, man sei aber ganz im dunkeln, wer das 
in der Gesellschaft steckende Rechtssubjekt sei. Ihre 
Statuten seien nicht veröffentlicht, es sei auch nicht 
bekannt, ob sie Korporationsrechte besitze. Infolge 
eines Irrtums wurde in dem Artikel Oberst Strauch 
als Amerikaner angesprochen. 
Darauf erschien in der gleichen Zeitung vom 
21. Mai 1884, Nr. 235 ein Artikels), der der Redaktion 
„von autorisierter belgischer Seite“ zugegangen war, 
*) Wörtlich genau die gleichen Ausführungen 
erschienen als Interview eines Berichterstatters mit 
General Sanford im „New Vork Herald“ vom 25. Juni 
1884. 
  
*— 
und der damals ziemliches Aufsehen erregte und 
hier deshalb im Auszug wiedergegeben soi: 
„Die -Norddeutsche Allgemeine Zeitunge wünscht 
nähere Auskunft zu haben über die Internationale 
Kongo-Gesellschaft. Um diesen Wunsch zu erfüllen, 
ist es notwendig, einen kurzen Rückblick zu tun auf das 
Jahr 1876, wo in Brüssel ein internationaler Kongreß 
zusammentrat, der sich 'die Aufgabe stellte, nach den 
Mitteln zu forschen, die erforderlich wären, um die 
Zivilisation in das Innere von Afrika einzuführen 
und diesen Weltteil zugleich von der Geißel des 
Menschenhandels zu befreien. Die Mitglieder des 
Kongresses waren der Ansicht, daß dieses Ziel durch 
die Anlage von Stationen an den Küsten des Aklan- 
tischen und Indischen Ozeans emeicht werden könne, 
von denen aus die Zivilisation unter den benachbarten 
Negerstämmen zu verbreiten sei. Dieses Programm 
ist gegenwärtig ziemlich durchgeführt. Die Reihe der 
anzulegenden Stationen ist fast vollzählig, und in einigen 
Jahren werden die Küsten der beiden Ozeane durch 
dieselben verbunden sein. Nachdem das Werk vollendet, 
wird es sich um die wichtige Frage handeln, auf welche 
Weise dasselbe zu erhalten ist. 
Die Begründer der Stationen, dic sich unter dem 
Namen-Internationale Kongo-Gesellschaft zu einem 
Verein konstituiert, haben geglaubt, es müßten zunächst 
die Stationen mit ihren zugehörigen Gebieten unter- 
einander in Verbindung gesetzt werden, um dann 
später auf diesem Wege zu einem unabhängigen 
Staatswesen zusammenzuwachsen. Zu diesem Zweck 
ist die Gesellschaft streng systematisch an das Werk 
gegangen. 
Die verschiedenen Bevollmächtigten haben sich 
durch Spezialverträge, deren Inhalt sich nach den 
verschiedenen Lokalitäten richtet, von den einzelnen 
Häuptlingen die Sorveränitäts-, politischen und 
Privatrechte derselben abtreten lassen. 
Man hat behauptet, daß die Kongo-Gesellschaft 
sich bemüht habe, von einem europäischen Staat eine 
Verfassung zu erlangen. Diese Annahme ist irrtümlich. 
Warum sollte die Gesellschoft ihrer eigenen Freiheit 
Beschränkung auferlegt haben? Die der Nord-Bornco- 
Gesellschaft zugestandene Verfassung engt deren Be- 
fugnisse ein und macht pure aus jenem Gebiet eine 
englische Kolonie. 
Die Gesellschaft, die ihr Recht von den Häuptlingen 
zediert erhalten, will, daß diese Abtretung ganz defi- 
nitiver und unwandelbarer Natur sei, und daß sie die 
politischen und privativen Rechte auf die abgeitetenen 
Gebiete, die sie der allgemeinen Betriebsamkeit er- 
schließt, unverkürzt in sich schließt. 
Der Gebrauch, den die Gesellschaft von den auf sie. 
übertragenen Befugnissen macht, ist durch die zu 
Washington ausgetauschten Erklärungen offiziell pro- 
klamiert worden. Die „Norddeutsche Allgemeine 
Zeitung= hat einen Teil dieser Deklarationen ver- 
öffentlicht. Aus denselben geht in unzweidentiger
	        
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