s1 Die Errichtung des Reiches. 11
den süddeutschen Staaten Schutz- und Trutzbündnisse ge-
schlossen, durch welche sich die Kontrahenten gegenseitig die Integrität der
Staatsgebiete garantierten und sich verpflichteten, im Falle eines Krieges ihre
volle Kriegsmacht zu diesem Zwecke einander zur Verfügung zu stellen. Für
diesen Fall wurde der Oberbefehl über die Truppen der süddeutschen Staaten
dem Könige von Preussen übertragen.
Behufs wirksamer Erfüllung vereinbarten die süddeutschen Staaten auf der
Stuttgarter Konferenz am 5. Febr 1867, ihre Streitkräfte den Prinzipien der Preuss.
Wehrverfassung gemäss zu organisieren und errichteten durch den Münchener Ver-
trag v. 10. Okt. 1868 eine süddeutsche Festungskommission und durch Protokoll vom
6. Juli 1869 eine gemeinschaftliche Inspizierungskommission für die Festungen Ulm,
Rastatt, Landau und Mainz. Interessante Aufzeichnungen des badischen Ministers
von Freydorf über die militärischen Einigungsversuche der süddeutschen
Staaten sind in Hirths Annalen 1905 S. 1 ff. von v. Poschinger veröffentlicht worden.
2. DerZollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 erhielt nicht bloss
die Freiheit des Warenverkehrs und die Einheitlichkeit des Zollgebietes in Be-
ziehung auf Süddeutschland in dem vor Ausbruch des Krieges vorhandenen
Umfang aufrecht, sondern gab dem Vereine zum ersten Male eine festere
Organisation und eine sichere Gewähr der Dauer. Obgleich der Zollverein
ein lediglich vertragsmässiges (völkerrechtliches) Verhältnis war, so empfing
er doch eine Organisation, welche der Verfassung des Nordd. Bundes so völlig
nachgebildet war, dass sie wie ein Schatten erscheint, den die Reichsverfassung
vor sich her warf.
3. Ausserdem wurden die vor dem Kriege abgeschlossenen Verträge und
Uebereinkünfte, soweit sie mit der neuen politischen Gestaltung Deutschlands
vereinbar waren, wieder in Kraft gesetzt und durch einige Verträge ergänzt.
4. Endlich war in der Verfassung des Norddeutschen Bundes der Ein-
tritt süddeutscher Staaten bereits vorgesehen, indem Art. 79 Abs. 2 bestimmte:
„Der Eintritt süddeutscher Staaten oder eines derselben in den Bund er-
folgt auf den Vorschlag des Bundes-Präsidiums im Wege der Bundesgesetz-
gebung.‘‘ Dies sollte bedeuten, dass ein Staatsvertrag zwischen dem Nord-
deutschen Bunde und einem süddeutschen Staate über den Beitritt des
letzteren zum Bunde von den gesetzgebenden Organen des Norddeutschen
Bundes nicht wie ein verfassungsänderndes, sondern wie ein gewöhnliches
Bundesgesetz behandelt werden sollte ').
IV. Während des Krieges der verbündeten Deutschen Staaten mit
Frankreich fanden Unterhandlungen über die Errichtung eines auch die süd-
deutschen Staaten umfassenden Bundesstaates statt. Die Initiative ging von
Bayern aus *). Nachdem Vorbesprechungen zwischen Vertretern des Bundes,
Bayerns und Württembergs zunächst in München stattgefunden hatten, wurden
die weiteren Verhandlungen im Hauptquartier in Versailles geführt ?). Die
Resultate derselben sind in folgenden Urkunden formuliert:
1) Zorn]. 8. 42.
2) Nach dem Bericht Delbrücks in seiner Rede im Nordd. Reichstag vom
5. Dez. 1870. Es ist aber wahrscheinlich die erste Anregung dazu von Sachsen
ausgegangen. Busch.a. a. O. 8. 146fg. v. Ruville 8. 186 ff.
3) Vgl. G. Meyer Reichsgründung 8. 53 ff., Mejer Einleitung $S. 317 ff. und
jetzt besonders Busch. a. O. S. 15ff. Auchv. Ruville S. 214 ff.