8 Das Bundesgebiet. 41
hat der Kaiser das Recht, im Namen des Reiches Krieg zu erklären, wenn ein
Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Dieses Recht ist
nicht nur unabhängig davon, dass der Einzelstaat, gegen dessen Gebiet der
Angriff erfolgt ist, die Hilfe des Reiches verlangt, sondern es besteht selbst
dann, wenn der Einzelstaat gegen diese Hilfe protestieren und sich direkt mit
dem Gegner vergleichen wollte. Denn das Reich verteidigt sein eigenes
Recht, wenn es Angriffe auf das Bundesgebiet zurückweist, während im
Staatenbund die nicht unmittelbar verletzten Staaten durch Leistung der
Bundeshilfe ihre vertragsmässige Pflicht zur Verteidigung eines fremden
Rechts erfüllen.
2. Der Eintritt von Angehörigen fremder Staaten in das Bundesgebiet
unterliegt der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reiches, indem Art. 4
Ziff. 1 der RV. das Passwesen und die Fremdenpolizei der Reichskompetenz
zuweist !). Ebenso unterliegt die Regelung des Warenverkehrs mit dem Aus-
lande, die Zollgesetzgebung, die Erhebung von Abgaben von fremden Schiffen
oder deren Ladungen, der Abschluss von Handels- und Schiffahrtsverträgen,
der Erlass von Einfuhr- und Ausfuhrverboten und die Verhängung von Grenz-
sperren der Kompetenz des Reiches. In Ausübung dieses Grundsatzes hat
das Reich auch die Berechtigung zur Küstenfrachtfahrt geregelt und die
Zulassung ausländischer Schiffe von einer mit Zustimmung des Bundesrats
zu erlassenden kaiserlichen Verordnung abhängig gemacht (Reichsges. vom
22. Mai 1881).
3. Kein Einzelstaat darf einem fremden Staate Eingriffe in die Gebiets-
hoheit gestatten. Die Bestellung von Staatsservituten, die Erlaubnis von
Truppendurchmärschen, der Abschluss von Zollkartell-Konventionen, sowie
jede andere Einschränkung der Gebietshoheit zugunsten eines ausserdeutschen
Staates kann für das gesamte Bundesgebiet und jeden Teil desselben nur vom
Reiche gewährt werden. Daher sind auch die Verträge über die Herstellung
von Eisenbahn-Verbindungen Sache des Reiches, wenn in solchen Verträgen
zugunsten des Auslandes Beschränkungen der Gebietshoheit zuge: tanden
werden sollen 2).
4. Das Reich ist befugt, im Innern des Bundesgebietes die zur Ver-
teidigung und Sicherung erforderlichen Massregeln anzuordnen, ohne Rück-
sicht auf die Landesgrenzen und die Gebietshoheit des Einzelstaates; ins-
besondere zur Anlage von Festungen (Art. 65) und Eisenbahnen (Art. 41),
sowie zur kriegsbereiten Aufstellung eines jeden Teils des Reichsheeres (Art. 63
Abs. 4) und zur Erklärung in Kriegszustand (Art. 68°).
5. Hinsichtlich der vom Reiche geregelten oder von ihm selbst geführten
Verwaltungen können die Verwaltungsbezirke ohne Festhaltung der Landes-
1) RG. über das Passwesen v. 12. Oktob. 1867.
2) In eigenartiger Weise ist dies zum Ausdruck gekommen in dem Eisenbahn-
vertrag mit Russland v. 6. Dezemb. 1904, welchen ‚‚der deutsche Kaiser im Namen des
Deutschen Reichs, das hierbei Preussen auf dessen Antrag vertritt‘‘, abgeschlossen hat.
RGBil. 1905 S. 11. Durch diese Formel ist die Entscheidung der Frage, ob zum Ab-
schluss dieser Verträge das Reich oder die Einzelstaaten zuständig sind, umgangen
worden.
3) Nur für Bayern bestehen in diesen Beziehungen Ausnahmen.