Full text: Großherzoglich Sachsen Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt aufs Jahr 1821. (5)

aus No. 7. des hoͤchsten Deerets vom 10. 
Decembet 1820. (s. Beylage U.) und den 
mitgetheilten Akten uͤber die ia Antrag gebrach- 
te Abloͤsbarkeit der Zwangsgesinde-Dienste. 
Nach vollendetem Vortrage kam man 
durch die Discussion zuerst auf die Frage: 
ist das Recht der Iwangsgesinde- 
Dienste geradezu aufzuheben, oder 
für ablösbar zu erklären? Man er- 
innerte zuerst an den Grundsatz des Land- 
kags, daß wohlerworbene Rechte ohne Ent- 
schäbigung nicht entzogen werden können, 
und daß man sich aller Eingriffe in Privat- 
rechte zu enthalten habe. Sonach werde 
auch das Recht der Zwangsgesinde-Dienste 
nur durch Ablösung aufhören können. Da- 
gegen stellte ein anderer Abgeordneter den 
Satz auf: die Zwangsgesinde-Dienste wä- 
ren ein Ueberrest der eibeigenschaft und 
müßten debhalb ohne Entschädigung aufge- 
hoben werden. Zur Unterstützung dieser 
Meinung fugte man hinzu, die Zwangsge- 
sinde-Dienste ließen sich mit den unverän- 
derlichen Grundsätzen des Naturrechts durch- 
aus nicht vereinigen. 
Zur Widerlegung dieser Ansicht wurde 
angeführt: es beständen noch gegenwartig 
fast überall Verpflichtungen zu Hand= oder 
Fußfrohnen. Halte man es nun nicht für 
Unrecht diese leisten zu lassen, so sey nicht 
abzusehen, warum man das Recht des 
Zwangsgesinde Dienstes anders betrachte. 
#jerauf aber entgegnete man, daß ein gro- 
ßer Unterschied sey zwischen Zwangsgesinde- 
Dienst und den erwähnten Frohnen. Bei 
den letztern sey man nur zu einer einzelnen 
Handlung verpflichtet, welche man allenfalls 
auch durch Jemand anders könne thun las- 
sen: bei dem Zwangsgesinde-Dienst hinge- 
gen, handele es sich um die ganze Eristenz, 
welche man Jahre lang in die Hände des- 
jenigen lege, dem man zu dienen verbunden 
sey, und verliere sonach das Recht der 
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Persönlichkeit, und die Ansprüche, wolche jeder 
Mensch auf Behandlung als ein selbstständi- 
ges Wesen zu machen habe. Ein Schluß 
von diesen Diensten auf Hand= und andere 
Frohnen, sey daher unstatthaft. Die fernere 
Discussion über diesen Gegenstand, führe 
te nun zur zweiten Frage: sind die 
Zwangsgesinde-Dienste abhängig 
von der Person oder vom Besitz ei— 
nes Grundeigenthums? Nach meh- 
rern Beispielen, welche zur Erörterung die- 
ser Frage beigebracht wurden, schien es, 
als ob an einigen Orten die Verpflichtung 
auf der Person, an andern Orten aber 
hauptsächlich auf Häusern beruhe. Dieß 
ergreifend sagte ein Abgeordneter, daß im 
letztern Falle die Zwangsgesinde-Dienste gar 
nicht zu rechtfertigen wären, weil der Er- 
werber eines solchen Hauses sich durch dessen 
Acquisition verbindlich mache, dergleichen 
Dienste durch seine Kinder leisten zu lassen. 
Ein solcher Contract aber könne gar nicht 
state finden, indem es nicht in der Befug- 
niß des Vaters liege, der natürlichen Frei- 
heit seines Kindes etwas zu vergeben. Ei- 
nige, welche dieser Ansicht beitraten, fügten 
hinzu: daß die Zwangsgesinde-Dienste auf 
jeden Fall auf der Person hafteten, welches 
sich auch dadurch bewähre, daß der Besitzer 
eines solchen Hauses, der keine Kinder habe, 
frei sey; denn hafte der Zwangsgesinde- 
Dienst wirklich auf dem Hause, so müßte 
der Eigenthümer wie bei Frohndiensten Je- 
mand stellen können, der sie leiste. Bei 
aller Verschiedenheit der Ansichten, war in- 
deß der Landtag allgemein der Meinung, 
daß die Zwangsgesinde-Dienste aufhören 
müßken, und es sey nur noch die Frage: 
ob mit oder ohne Entschádigung. Die wei- 
tkere Berathung und Beschlußnahme dieser 
Frage mußte aber der folgenden Sitzung 
vorbehalten bleiben.
	        
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