Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

60 1. Abschnitt. Bon Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
  
lische Zeitungen vom „isolierten Deutschland“ sprachen, so war das in 
gewisser Beziehung und gerade vom britischen Standpunkte gesehen, 
nicht unrichtig: der Dreibund war über die Küstenlinien Europas hinaus 
nicht wirksam. Wollte und mußte aber eine der Dreibundmächte In- 
teressen auf dem Meere und über dem Meere vertreten und verteidigen, 
ohne es mit eigenen Mitteln zu können, so blieb ihr nur übrig, Verbin- 
dungen mit anderen Mächten zu suchen. Eine solche war bis 1890 für 
Deutschland der russische Vertrag. Man kann nun gewiß hier wieder 
fragen, ob selbst Bismarck sein System der Bersicherungen und Rück- 
versicherungen auch in der überseeischen Politik und gegen England auf 
die Dauer Hätte durchführen können. Das vermag niemand zu sagen, 
wir können nur mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es immer 
schwieriger geworden wäre. Bismarck hatte mit seiner Wirtschaftspolitik 
einerseits, seiner Kolonialpolitik anderseitao den Grund zum größeren 
Deutschland und damit zur Weltpolitik gelegt. Eine deutsche Flotte mußte 
schon aus diesen Gründen notwendig werden. Bieomarck hat in seinen 
letzten Lebensjahren sich gelegentlich auch über dieses Gebiet geäußert 
und sich mehrere Male übereinstimmend dahin ausgesprochen, das Deutsche 
Reich müsse eine so starke Flotte haben, daß Seemächte zweiten Nanges 
ihm die See nicht verbieten könnten. Das war ein offenes Bekenntnis 
zum Prinzipe des Hochseekrieges, ging also weit über das hinaus, was 
Caprivi von der deutschen Flotte verlangte und wollte. 
Der Wunsch und Wille des Deutschen Kaisers, dem Deutschen Reiche 
zu einer starken Flotte zu verhelfen, beruhte auf einem eminent poli- 
tischen Gedanken. Er stand, wie man damals vielleicht weniger, heute 
aber vollkommen klar übersehen kann, in geradem Widerspruche zur Poli- 
tik, ja, zur ganzen staatsmännischen Anschauung des zweiten Kanzlers. 
Oaß der Deutsche Kaiser — wie gesagt, von ganz anderen Gesichts- 
punkten als sein Kanzler ausgehend — gedacht hat, man müsse, bis Deutsch-- 
land eine starke Flotte habe, versuchen, mit England in guten Beziehun- 
gen zu bleiben und deshalb auch gelegentliche Zugeständnisse machen, 
liegt nicht fern und war, innerhalb gewisser Grenzen, politisch selbst- 
verständlich. 
Die Gedanken, welche ihm vorschwebten und ihn leiteten, hat der 
Kaiser am 18. Zanuar 1896 — gelegentlich der Feier des fünfundzwanzig- 
jährigen Bestehens des Deutschen Reiches — kurz und programmatisch 
zusammengefaßt mit den Worten: „Aus dem Oeutschen Reich ist ein 
Weltreich geworden. AUberall in fernen Teilen der Erde wohnen Tau- 
sende unserer Landsleute. Deutsche Güter, deutsches Wissen, deutsche 
Betriebsamkeit gehen über den Ozean. Nach Tausenden von Millionen 
beziffern sich die Werte, die Deutschland auf der See fahren hat. An
	        
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