Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1890. (24)

— 158 — 
Vierter Abschnitt. 
Gutachten und Antraͤge der Gewerbegerichte. 
§. 70. 
Das Gewerbegericht ist verpflichtet, auf Ansuchen von Staatsbehörden oder 
des Vorstandes des Kommunalverbandes, für welchen dasselbe errichtet ist, Gut- 
achten über gewerbliche Fragen abzugeben. Zur Vorbereitung oder Abgabe der- 
artiger Gutachten können Ausschüsse aus der Mitte des Gewerbegerichts gebildet 
werden. 
Diese Ausschüsse müssen, sofern es sich um Fragen handelt, welche die 
Interessen beider Theile berühren, zu gleichen Theilen aus Arbeitgebern und Ar- 
beitern zusammengesetzt sein. 
In gleicher Weise ist das Gewerbegericht berechtigt, in gewerblichen Fragen, 
welche die seiner Gerichtsbarkeit unterstehenden Betriebe berühren, Anträge an 
Behörden und an Vertretungen von Kommunalverbänden zu richten. 
Das Nähere bestimmt das Statut. 
  
Fünfter Abschnitt. 
Verfahren vor dem Gemeindevorsteher. 
§. 71. 
Ist ein zuständiges Gewerbegericht nicht ,vorhanden so kann bei Streitig- 
keiten der in Nr. 1 und 3 des §. 3 bezeichneten Art jede Partei die vorläufige 
Entscheidung durch den Vorsteher der Gemeinde (Bürgermeister, Schultheiß, Orts- 
vorsteher u. s. w.) nachsuchen. Zuständig ist der Vorsteher der Gemeinde, in deren 
Bezirk die streitige Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnisse zu erfüllen ist. 
Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihre Ausführungen und Beweis- 
mittel in einem Termine vorzubringen. Eine Beweisaufnahme durch Ersuchen 
anderer Behörden findet nicht statt; Vereidigungen sind nicht zulässig. 
Kommt ein Vergleich zu Stande, so ist ein Protokoll darüber aufzunehmen 
und von den Parteien und dem Gemeindevorsteher zu unterschreiben. 
§. 72. 
Die Entscheidung des Gemeindevorstehers ist schriftlich abzufassen; sie geht 
in Rechtskraft über, wenn nicht binnen einer Nothfrist von zehn Tagen von 
einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gerichte erhoben wird. Die Frist 
beginnt mit der Verkündung, gegen eine bei der Verkündung nicht anwesende 
Partei mit der Behändigung der Entscheidung. 
Die Entscheidungen des Gemeindevorstehers sind von Amtswegen für vor- 
läufig vollstreckbar zu erklären.
	        
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