Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

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§. 130. 
Eine Willenserklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben ist, wird, 
wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkte wirksam, in 
welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem Anderen vorher oder 
gleichzeitig ein Widerruf zugeht. 
Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluß, wenn der 
Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. 
Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung 
einer Behörde gegenüber abzugeben ist. 
§. 131. 
Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, 
so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. 
Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit 
beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die Erklärung jedoch der in 
der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vortheil oder hat 
der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung ertheilt, so wird die Erklärung in dem 
Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihr zugeht. 
§. 132. 
Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie durch Ver- 
mittelung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach 
den Vorschriften der Civilprozeßordnung. 
Befindet sich der Erklärende über die Person desjenigen, welchem gegenüber 
die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntniß 
oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann die Zustellung nach den 
für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der Civilprozeß- 
ordnung erfolgen. Zuständig für die Bewilligung ist im ersteren Falle das Amts- 
gericht, in dessen Bezirke der Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines 
inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat, im letzteren Falle das Amtsgericht, 
in dessen Bezirke die Person, welcher zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in 
Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte. 
§. 133. 
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen. 
und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. 
§. 134. 
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, 
wenn sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt. 
§. 135 
Verstößt die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein gesetzliches Ver- 
äußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, so ist sie nur
	        
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