Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Geheimbünde. 303 
sätze, da auch Napoleon den noch immer einflußreichen Freimaurerorden 
für seine Zwecke zu benutzen suchte und seinen Schwager Murat zum 
Großmeister ernennen ließ. 
Nur Wenige unter den deutschgesinnten Preußen sind, so lange die 
Feinde das Land besetzt hielten, dem unterirdischen Treiben ganz fern 
geblieben. Auch Stein traf, wie Schön erzählt, in Königsberg zuweilen 
in tiefem Geheimniß mit Gneisenau, Süvern und anderen Freunden zu— 
sammen um die Lage des Vaterlandes, die Möglichkeit der Wiedererhebung 
zu besprechen. Selbst die hellen Köpfe — so gewaltig war die Aufregung 
— wollten nicht ganz lassen von der bodenlosen Hoffnung, daß vielleicht 
ein glücklicher Handstreich, eine plötzliche Erhebung des Volks den franzö- 
sischen Spuk verscheuchen könnte. In den Gesellschaften des Berliner 
Adels thaten sich Einige, zumal unter den Damen, durch die urwüchsige 
Kraft ihres Franzosenhasses, durch lautes Schelten gegen die Halben und 
Schwächlinge hervor; man nannte sie unter den Uneingeweihten den 
Tugendbund, und alle Welt wußte, wann sie sich insgeheim versammelten, 
da die deutsche Ehrlichkeit sich auf die dunklen Künste der Verschwörer 
schlecht verstand. Ernsthaftere Pläne verfolgte eine Reihe anderer form- 
loser patriotischer Vereine, denen Lützow und Chasot, Reimer, Eichhorn, 
Schleiermacher, wackere Männer des Heeres, des Bürgerthums und der 
Wissenschaft angehörten. Hier kaufte man Waffen auf, so weit die ärm- 
lichen Mittel reichten, suchte die Gesinnungsgenossen ringsum in Deutsch- 
land zu sammeln, zu ermahnen, zu ermuthigen; wie oft ist Leutnant 
Hüser von Berlin nach Baruth hinübergeritten um Briefe an den Mit- 
verschworenen Heinrich Kleist auf die sächsische Post zu geben. Später 
stiftete Jahn mit einigen seiner Turnfreunde einen Deutschen Bund; wie 
die Eidgenossen auf dem Rütli traten die Verschworenen Nachts im Walde 
bei Berlin zusammen und weihten sich zum Kampfe für das Vaterland. 
Als der Ausbruch des Krieges sich weiter und weiter hinausschob, ging 
unter den Heißspornen zuweilen die Rede: wenn dieser Zauderer Fried- 
rich Wilhelm durchaus nicht wolle, so müsse sein Bruder, der ritterliche 
Prinz Wilhelm den Thron besteigen. 
Die Zeit lag im Fieber. Es war ein ewiges geheimnißvolles Kommen 
und Gehen unter den Patrioten; sie zogen verkleidet umher, sammelten 
Nachrichten über die Stellungen des Feindes, über die Stärke der festen 
Plätze; auch der Offenherzige mußte lernen mit sympathetischer Tinte zu 
schreiben, unter falschem Namen zu reisen. Wie hatte sich doch die stille 
norddeutsche Welt verwandelt, welche Wildheit dämonischer Leidenschaft 
flammte jetzt in den vormals so friedlichen Herzen! Die ganze neue Ord- 
nung der Dinge stand auf zwei Augen; unwillkürlich ward der Gedanke 
laut, ob diese sich denn niemals schließen sollten? Die treue Gräfin Voß 
flehte im stillen Kämmerlein zu ihrem Gott, er möge diesen Mann des 
Unheils von der Erde hinwegnehmen. Unter den jungen Leuten im Magde-
	        
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