Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

338 I. 3. Preußens Erhebung. 
nochmals, wie einst unter Friedrich I., in den Vordergrund des wissen- 
schaftlichen Lebens der Nation getreten; der Realismus der alten Göt- 
tinger fand sich hier zusammen mit der idealistischen Bildung von Jena- 
und Königsberg. Dies junge Leben ward plötzlich zerstört, als der Tilsiter 
Friede das Magdeburger Land dem Königreich Westphalen zutheilte. Gleich- 
zeitig verlor Preußen das aufblühende Erlangen und dazu die drei soeben 
erst neugewonnenen stiftischen Universitäten Erfurt, Münster, Paderborn 
sowie das verfallene Duisburg. Gleich nach dem Frieden baten die Hal- 
lenser Professoren den König, ihre Universität nach Berlin zu verlegen; 
er aber erwiderte, daß er eine neue Hochschule in der Hauptstadt stiften 
wolle, und fügte die schönen Worte hinzu: der Staat muß durch geistige 
Kräfte ersetzen was er an physischen verloren hat. Jene alten so oft 
erwogenen Berliner Pläne wurden also wieder aufgenommen, doch erst 
Humboldt brachte frischen Willen und großen Sinn in die stockenden 
Berathungen. Zur selben Zeit, da der Fürst-Primas in der alten Heimath 
deutscher zünftiger Rechtsgelahrtheit, in Wetzlar, eine juristische Fachschule 
nach napoleonischem Modell eröffnete, traute der preußische Idealist seinem 
erschöpften Staate die Kraft zu, jetzt in Berlin zu vollenden, was in Halle 
zerstört war und „der deutschen Wissenschaft eine vielleicht kaum jetzt noch 
gehoffte Freistatt zu eröffnen“. 
Die neue Stiftung sollte „durchaus etwas Anderes sein als eine bloße 
Landesuniversität"“, nicht in der Vorbereitung für praktische Berufe, son- 
dern in der Wissenschaft selber den Zweck der wissenschaftlichen Arbeit 
suchen und daher, vornehmlich für ihre philosophische Facultät, die besten 
Kräfte Deutschlands an sich ziehen. „Wir wollen Euch zu lernen lehren“ 
— sagte Clemens Brentano bezeichnend in dem Festliede zur Eröffnungs- 
feier. Für die Verfassung der Universität fand Humboldt, Altes und 
Neues mit glücklichem Takte verbindend, jene einfachen und freien Formen, 
die seitdem allen deutschen Hochschulen zum Vorbilde gedient haben. Er 
gab ihr nicht die gefährliche Stellung eines Staates im Staate, sondern 
stellte sie als eine Staatsanstalt auf den Boden des gemeinen Rechts. 
Dagegen blieben die alten Facultäten erhalten, desgleichen was Schleier- 
macher soeben in einer köstlichen Schrift als das eigentliche Wesen der 
„Universitäten im deutschen Sinne“ bezeichnet hatte: die unbeschränkte 
Freiheit des Lernens und des Lehrens. Die radicaleren Pläne Fichte's 
wurden verworfen: Humboldt fühlte heraus, daß der freie Sinn der 
deutschen Jugend den klösterlichen Zwang einer neuen platonischen Aka- 
demie, wie sie der begeisterte Philosoph vorschlug, nicht ertragen würde. 
Es war die erste königlich preußische Universität, und doch eine Stiftung 
für das gesammte Vaterland, das Werk einer freien und großen natio- 
nalen Gesinnung, welche die alten durch römisch-kaiserliche Privilegien ge- 
stifteten Universitäten so nicht kannten. Als die neue Hochschule in ihr 
stattliches Prinzenschloß, dem Palaste des Königs gegenüber einzog, da
	        
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