Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Höchste Ausbildung der absoluten Monarchie. 71 
großen Kurfürsten auf dem preußischen Throne herrschte, erst durch 
Friedrich in das Bewußtsein der Menschen übergegangen. Erst seit den 
blendenden Erfolgen der schlesischen Kriege wendeten sich die Blicke der 
Welt, die bisher an der Hofpracht von Versailles bewundernd gehangen, 
nachdenklich auf die prunklose Krone der Hohenzollern. Im Kriege und 
in der auswärtigen Politik zeigte der König die unvergleichliche schöpferische 
Macht seines Geistes; in der inneren Verwaltung war er der Sohn 
seines Vaters. Er hat die überlieferten Formen des Staates durch die 
Kraft des Genius belebt, das Unfertige in freiem und großem Sinne 
weitergebildet; einen Neubau unternahm er nicht. Doch er wußte den 
Gedanken des politischen Königthums, den sein Vater als ein handfester 
Praktiker verwirklicht hatte, mit der Bildung des Jahrhunderts in Ein— 
klang zu bringen; unablässig gab er sich und Andern Rechenschaft von 
seinem Thun. Schon als Kronprinz errang er sich einen Platz unter den 
politischen Denkern des Zeitalters; sein Anti-Macchiavell bleibt, bei allen 
Schwächen jugendlicher Unreife, doch das Beste und Tiefste, was jemals 
über die Pflichten des fürstlichen Amts in der absoluten Monarchie gesagt 
wurde. Nachher, in den ersten Jahren des Siegerglückes, schrieb er den 
Fürstenspiegel für den jungen Herzog von Württemberg; doch mächtiger 
denn alle Lehren sprachen seine Thaten, da er in den Tagen der Prüfung 
seine Worte bewährte und der Welt zeigte was es heiße „als König denken, 
leben, sterben“. Zuletzt ward ihm noch jene Schicksalsgunst, deren auch 
der Genius bedarf, wenn er einem ganzen Zeitalter den Stempel seines 
Geistes aufprägen soll: das Glück in einem reichen Alter sich völlig auszu— 
leben. Er war jetzt der Nestor, der anerkannt erste Mann des europäischen 
Fürstenstandes; sein Ruhm hob den Glanz aller Throne, aus seinen 
Worten und Werken lernten die Könige groß zu denken von ihrem Berufe. 
Die althergebrachte Vorstellung des Kleinfürstenthums, daß Land und 
Leute dem durchlauchtigen Fürstenhause zu eigen gehörten, verlor an Boden, 
seit dieser König trocken aussprach: „Der Fürst hat keinen nähern Ver— 
wandten als seinen Staat, dessen Interessen immer den Banden des 
Blutes voranstehen müssen.“ Die dynastische Selbstüberhebung der Bour— 
bonen erschien in ihrer Nichtigkeit, seit er bei seiner Thronbesteigung den 
leichten Genüssen des Lebens den Rücken wandte mit den Worten „mein 
einziger Gott ist meine Pflicht“ und nun durch ein halbes Jahrhundert 
mit allen Kräften seiner Seele diesem einen Gott diente und auf jeden 
Dank seines Volkes immer nur die gelassene Antwort gab: „dafür bin 
ich da.“ So weltlich unbefangen hatte noch nie ein gekröntes Haupt von 
der fürstlichen Würde geredet, wie dieser Selbstherrscher, der unbedenklich 
die Berechtigung der Republik wie des parlamentarischen Königthums an— 
erkannte und die Größe der absoluten Monarchie allein in der Schwere 
ihrer Pflichten suchte: „der Fürst soll Kopf und Herz des Staates sein, 
er ist das Oberhaupt der bürgerlichen Religion seines Landes.“
	        
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